So schoen Tot
darstellt, intoniert sie mit einer Intensität, die sie nur bei Manni abgeguckt haben kann. Denn für Anne ist er der Größte und seine Stimme einzigartig. Ich kann das nicht beurteilen, denn ich hab nie Zeit gehabt, wenn so eine Aufführung stattfand. »Der Job, du verstehst«, hab ich stets bedauernd zu Anne gesagt. Und sie hat genickt, wie der Pfau vorhin und wie immer, wenn Manni ihr etwas erzählt, selbst wenn es der größte Blödsinn ist.
Ich merke, dass ich beginne, mich aufzuregen. Das ist nicht gut. Ich sollte entspannt im Hier und Jetzt die Hände über Kreuz pendeln lassen. Entspannt – verdammt noch mal!
Meine Gedanken wandern nach Düsseldorf, in die Gladbacher Straße. Zu Manni und zu meinem »Besänftigungsgeschenk«. Denn natürlich wusste ich, dass er keinesfalls erfreut über mein Wochenende mit Anne war, selbst wenn ich sie einlud und er keinen Cent bezahlen musste. In seinen Augen bin ich eine furchtbare Emanze, eine, die man ihm nackt auf den Bauch binden könnte, ohne dass …… und so weiter … Obwohl ich einfach mal behaupte, dass das nur dummes Geschwätz ist. Kann mir ja auch egal sein.
Verenas Singsang bringt mich wieder auf den taufeuchten Rasen zurück. »Zum Abschluss wollen wir
die Hände vor dem Herzen schließen
.«
Was für ein wunderbarer Name für eine Übung. Am liebsten würde ich Anne zuraunen: »Lass mal den Manni draußen, wenn du diese Übung machst«, aber ich halte den Mund.
»Wir legen die Hände vor der Brust aneinander, die Daumenweisen zum Herzen«, schwebt Verenas Stimme mit dem Bodennebel um uns herum. Für Herzerkrankte oder Bluthochdruckpatienten hat sie noch kleine Hinweise, wir genießen diese Übung, in der die Stille fast hörbar wird, nur ein paar Vögel ziehen ihre Kreise, begrüßen uns mit ihrem Zwitschern, Tirilieren und Rufen. Eine wundervolle Sinfonie.
Eine Sinfonie, nein, eine Oper habe ich Manni mitgebracht, damit er sich ablenken kann an diesem Wochenende, an dem Anne nicht zu seinem Wochenendritual gehört, an dem er nur zwei Brötchen zu kaufen braucht, den Kaffee allein aufbrühen und das Fünf-Minuten-Ei selbst kochen muss. Denn auch das gehört zu Mannis Wochenendritual: Musik hören. Nach dem Frühstück. Normalerweise räumt Anne den Tisch ab, und er setzt sich zum Musikhören in den Sessel. Seit Neuestem eben in diesen Musiksessel, von dem ich bis vor Kurzem nicht mal wusste, dass es so etwas gibt: einen Surround-Sound-Sessel!
Na ja. Auch wenn meine CD keine Sinfonie ist, ein Bonbon der besonderen Art ist sie auf jeden Fall: Ein Live-Mittschnitt der Oper Don Carlos. Eine der wenigen einzigartigen Aufführungen des im Original fast fünfstündigen Stückes von Verdi. Das gibt es nicht oft, meist wurde die Oper gekürzt und die Ballettszenen gestrichen. Manni aber konnte an diesem Wochenende in den Genuss der gesamten fünf Opernstunden kommen.
Wenn sein Herz mitspielt.
»Wir kommen zu den Abschlussübungen«, Verenas Stimme wird etwas erdiger, ist aber noch immer in der esoterischen Tonfrequenz. »Wir
sammeln das Qi.
« Sie senkt die Hände vor dem Herzzentrum nach unten.
Das Herz. Das ist Mannis schwacher Punkt. Und genau darauf habe ich dieses Verwöhnwochenende mit Anne aufgebaut.
»Wir atmen durch den Mund aus, öffnen die Fäuste …« Ich kann mich nicht wirklich auf Verenas Anweisungen konzentrieren. Mit meinem Hausarzt habe ich mich über die Vorteile und Tücken eines solchen Surround-Sound-Sessels unterhalten. »Ist schon klasse, so etwas«, hab ich gesagt und ihn gefragt, was denn wäre, wenn jemand mit einem Herzfehler in so einem Sessel säße. Natürlich wusste mein Hausarzt nicht, dass Manni gleich alles drei hat: Herzfehler, Musikfaible und diesen Sessel.
Was ich denn damit meine, wollte mein Arzt wissen, und ich erklärte es ihm.
Sein Grinsen sehe ich gerade jetzt vor mir, und damit lasse ich alles los, was mich von Yin, Yang, Qi und Gong und all dem trennt, und entspanne mich. Spüre meine Atmung fließen, höre die Vögel zwitschern, merke den leichten Windhauch, rieche das Gras, das sich langsam vom Tau befreit, und freue mich auf den Tag, der begonnen hat.
»Wir verteilen das Qi«, sagt Verena, reibt sich die Hände, das Gesicht, kämmt sich mit den Fingern die Haare.… Anne macht alles mit. Ohne Manni zu erwähnen. Ohne Manni.
»Wenn so jemand eine Opern-CD erhält und sie sich in dem Sound-Sessel anhört«, habe ich meinen Arzt gefragt, »und wenn dann in die CD unvermittelt furchtbare
Weitere Kostenlose Bücher