So schoen Tot
versteckt.
Am Tisch sitzen also nur noch der Professor und ich. Sowie Madame Li, eine Hongkongchinesin, die mit vergifteten Haarnadeln tötet und auf deren Konto der Tod des großen Vorgesetzten Mao ging, was die Weltöffentlichkeit auch nicht weiß.
Und dann ist da noch Adewale Adobasi, der Nigerianer, ein durchtrainierter, muskulöser Riese von Mann, gelernter Metzgermeister, der seine Opfer mit einem Schweizermesser kunstvoll zu filetieren pflegt.
Wir vier beäugen uns misstrauisch. Vier Grüsel, von denen einer der Täter sein muss.
Showdown!
Der Professor hat seine Reisesäge mit an den Tisch genommen, Madame Li hält ihre vergiftete Haarnadel in der Linken, und Adewales kräftige Hände ruhen beide unter der Tischplatte, zweifelsohne zwei frisch gewetzte Schweizermesser umklammernd. Essen wird er auf diese Weise gewiss nicht können. »Darf ich deine Suppe haben?«, frage ich ihn deshalb. Er guckt nur finster. Ich greife zu.
»Wir müssen das regeln!«, sagt der Professor und tätschelt seine Säge.
»Erst nach dem Süßspeisenbüfett«, erkläre ich. Meine Prioritäten sind immer ganz klar definiert.
Madame Li und Adewale schweigen.
Die übrigen Gäste des Hotels bekommen von all dem nichts mit, sie plaudern angeregt und speisen vergnügt.
Kurz darauf löffele ich weiße und dunkle Mousse in mich hinein und denke nach. Profikiller sind die nettesten Menschen überhaupt: Wer aus beruflichen Gründen andauernd tötet, ist privat ein ganz zahmes, harmoniesüchtiges Häschen. Wie ließ sich dieses plötzliche kollegiale Massenabschlachten erklären? Ging es um Geld? Wollte einer alle Aufträge abgreifen?
Auf dem Weg zur Bar kommen uns nach dem Essen Madame Li und der Professor abhanden. Den Professor sehe ich gleich darauf im Brettspielezimmer – mit gebrochenem Genick in einem der Serviceschränke unter der Deko-Säge an der Wand entsorgt. Wie passend.
Madame Li steckt in dem bunt bemalten Bauernschrank quer gegenüber der Bar. Sie dürfen raten … ja, auch tot.
Bleiben also nur Adewale und ich übrig. Wenn ich es nicht bin, muss er es sein. Wir nehmen – Auge in Auge – auf den hellen Ledersitzen in der hinteren Ecke der Bar Platz. Falls einer von uns ausblutet, wird es Flecke geben.
Erwin am Piano spielt passenderweise die Titelmelodie von »High Noon.«
»Wenn du mich auch nur schief ansiehst, mach ich dich kalt«, droht Adewale und hebt diskret die Rechte mit dem Schweizermesser, mit dem er schon Schlagersänger Roy Black gekillt hat. Herzinfarkt, von wegen. Ein Auftragsmord von Rex Gildo. Dessen Fenstersturz war allerdings echt. Das bleibt aber unter uns.
»Ich weiß, dass du es warst, aber der Krug geht nur so lange zum Brunnen, bis er bricht«, sagt Adewale, der wie ein grobmotorischer Türsteher aussieht, dabei weiß ich ganz genau, dass er in seiner Freizeit mit großartiger Kunstfertigkeit fantastische Zierkissen mit Schmetterlingsmotiven bestickt. »Du bist schon so gut wie tot!«, zischelt er böse.
Was mich nicht weiter kratzt, denn er sieht mir beim Zischeln in die Augen und nicht nach unten und bekommt daher erst zu spät mit, wie ich ihm die vergiftete Haarnadel in den Oberschenkel ramme, die ich Madame Li vorhin abgenommen habe, bevor ich ihr den Schalldämpfer an die Stirn hielt und abdrückte.
Adewales steroidisierte Muskeln bemerken den Stich erst gar nicht, gleich darauf guckt er schon glasig.
Erwin am Piano spielt virtuos Louis Armstrongs
What a Wonderful World
, während Adewales kantiger Kopf in Zeitlupe nach hinten sackt.
Ich sage zur netten Barkeeperin aus Dresden: »Mein Freund ist übermüdet – bitte nicht stören, gönnen Sie ihm ein kurzes Nickerchen.«
Dann checke ich mich selbst durch die Hintertür aus.
Warum ich es getan habe?
Meine Güte, warum, warum?
Es ging mir ehrlich nicht ums Geld, auch nicht um Konkurrenzneid. Ich liebe einfach meinen Beruf und töte gern in Serie: Warum besteigt man den Everest? Weil er da ist. Ich habe meine Kollegen gemeuchelt, weil ich es konnte ...
... und weil ich eine schwer gestörte Soziopathin bin, dieam liebsten nur dann Kontakt mit anderen Menschen aufnimmt, wenn sie sie eiskalt ermorden kann.
Das Leben ist eben ein Klischee. Und als Halbschottin folge ich dem
Highlander -Motto
:
Es kann nur Eine geben!
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