So schoen Tot
sich auch schon auf der Liege bequem machen.«
Im Zimmer herrscht gedämpftes Licht. Zwei Kerzen flackern zwischen matt glänzenden Glaskristallen. SanfteKlänge von Marilyn Monroe säuseln aus den Lautsprechern:
Diamonds are a girl’s best friend.
Carlotta zieht sich Jacke, Bluse und Schuhe aus, legt den glitzernden Schmuck an Ohren, Hals und Händen ab. Der Wert von Walthers Geschenken hat im Laufe der Zeit deutlich abgenommen. Früher ließ er sich zu Weihnachten nicht lumpen, mittlerweile fallen die Gaben bescheidener aus. Beim letzten Mal gab es einen schmalen Goldarmreifen. Ohne passenden Ring.
Trotzdem, sie sollte nicht undankbar sein. Immerhin hat Walther es nie gewagt, ihr ein Bügeleisen oder einen Schnellkochtopf zu schenken. Wie Renates Mann. Renate. Die ist auch so eine. Wird seit zwei Jahren betrogen und sagt ihr kein Wort – und so was nennt sich Freundin.
Carlotta bettet sich auf die Kosmetikliege, einem Zwischending aus Massagetisch und Fernsehsessel. Kaum liegt sie, kommt Yvonne mit dem warmen Kissen und legt es unter ihren Nacken. Anschließend breitet sie behutsam die Kamelhaardecke über Carlottas Beinen aus und schlägt die Enden an den Füßen zusammen.
Als die Massagestränge der Liege zu vibrieren beginnen, hat Carlotta längst die Augen geschlossen, doch statt der matten Leere im Kopf – wie sonst, wenn sie sich hier entspannt – sieht sie endlos lange Beine vor sich tanzen. Junge Beine. Verdammt! Renate hat recht: Männer sind Schweine! Alle. Man sollte einfach kurzen Prozess mit ihnen machen. Erst mit Helmut. Dann mit Walther. Oder umgekehrt.
»Nicht erschrecken. Ich komme jetzt mit dem Wasser.«
Vorsichtig verteilt Yvonne die schäumende Waschlotion auf Carlottas Gesicht. In kreisenden Bewegungen ziehen ihre Finger gleichlaufende Bahnen auf Wangen, Stirn, Hals, Nase, Dekolleté. Mit dem feuchten Frotteetuch nimmt die Kosmetikerin den Schaum ab, wiederholt alles, bevor sieschließlich mit Gesichtswasser getränkten Wattepads synchron die letzten Hautöffnungen reinigt.
»Ihre Haut sieht fantastisch aus. Die Poren fein, die Struktur wunderbar. Sie können mit sich zufrieden sein, Frau Reiter.«
Yvonne wirft die benutzten Pads in den Mülleimer.
»Jetzt kommt nur noch das
Skin Gel
, der ›Fahrstuhl in die Tiefe‹, dann geht es mit der
Meso
-Therapie los.«
Früher ist es Walthers größter Traum gewesen, einmal mit dem Fallschirm aus dem Flugzeug zu springen und anschließend gnadenlosen Sex zu haben. Vielleicht sollte sie ihn bitten, die Markise auf der Dachterrasse zu reparieren. Wenn er auf der obersten Sprosse seiner wackeligen Klappleiter stünde, gäbe sie ihm einen Schubs, und Walthers Traum vom Fliegen würde endlich wahr. Zwar kein Sprung mit dem Fallschirm und auch kein gnadenloser Sex danach, aber fünf Etagen sind ein prima Fahrstuhl in die Tiefe.
Carlotta presst sich bei dieser Idee wohlig in die Liege und wartet darauf, dass Yvonnes feste Fingerspitzen über ihre Wangen gleiten und die Lotion einmassieren. Diese Bewegungen empfindet sie mehr als nur angenehm. Es erinnert sie an früher, als Walther sie noch … Plötzlich zieht sich alles in ihr zusammen. Sie muss der Wahrheit ins Auge sehen. Walther wird gehen. Konsequenz lautet sein zweiter Vorname.
Carlotta atmet ein und aus, versucht sich zu entspannen. Fehlanzeige. Die dunklen Gedanken lassen sich nicht verscheuchen. Renates Ehevertrag gibt nicht viel her. Das sieht bei ihr nicht besser aus.
»Alles in Ordnung, Frau Reiter?«
»Sicher doch.«
Im schlimmsten Fall bleibt ihr … Nein, es geht nicht nur ums Vermögen. Die Penthousewohnung wird ihr fehlen,natürlich, der Mercedes auch. Aber wie steht sie sonst da? Die Einladungen werden ausbleiben. Jedenfalls die interessanten. Keine Empfänge mehr, keine rauschenden Sommerfeste in Berlin. Mit wem soll sie auf den Opernball gehen, mit wem auf den Presseball? Was übrig bleibt, sind Vernissagen in kleinen Galerien mit anderen abgehalfterten Exfrauen. Darüber hat sie sich bis letzten Monat selbst lustig gemacht.
»Ich bin gleich wieder da«, säuselt Yvonne, und Carlotta hört die sich entfernenden Schritte auf dem Fliesenboden.
Carlotta genießt die Ruhe im Raum. Nur die sphärischen Klänge der Entspannungsmusik klingen zu ihr durch. Das Pling der Triangel, das Plong-Plong des Xylophons, der zarte Einsatz der Harfe. Die Musik verfehlt heute jedoch ihre Wirkung. Sie kann nicht abschalten. Im Gegenteil.
»Bin wieder da.« Yvonne hantiert
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