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So schoen und kalt und tot

So schoen und kalt und tot

Titel: So schoen und kalt und tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Withcomb
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Erleichtert entdeckte sie die Schwester, die noch immer tief zu schlafen schien. Ihr Mund war kaum merklich geöffnet und die Hände lagen, zu Fäusten geballt, auf der Bettdecke.
    Fast sah es so aus, als hätte sie einen heftigen Traum, in dem sie kämpfen musste und in dem es um Leben oder Tod ging.
       Zärtlich streichelte Alanis über Melanies Wange. „Danke, dass es dich für mich gibt, Mel“, sagte sie leise und hörte nicht auf mit dieser sanften Zärtlichkeit, die sie sich nicht traute, wenn die Schwester wach war. „Ich bin so froh, dass du wieder heil aus dem Park heraus gekommen bist.“
       „Das bin ich auch“, murmelte Melanie im Halbschlaf, ohne die Augen zu öffnen. „Ist er noch da?“
       „Wen meinst du?“ Alanis setzte sich an den Bettrand.
       „Der komische Mann mit dem gemeinen Grinsen im Gesicht.“
       „Ich hab keinen gesehen.“ Das Mädchen ahnte, dass etwas Grausiges geschehen sein musste. „Ist es der Mann, dessen Bild unten in der Halle hängt?“
       Mit einem Schlag war Melanie wach. Erschrocken richtete sie sich auf. „Was hab ich gesagt?“, fragte sie mit zitternder Stimme. „Ich hab bis eben noch geträumt. Da war ein Mann, und er hat mich hämisch angegrinst, als wollte er mir mit irgendetwas drohen.“
       „War das der Mann von dem Bild in der Halle?“, beharrte Alanis. „Ich erinnere mich daran, dass er böse gegrinst hat. Versuche dich zu erinnern, Mel. Es ist wichtig.“
       Angst stieg in Melanie hoch, als sie krampfhaft versuchte, sich das unangenehme Gesicht des Mannes ins Gedächtnis zurück zu holen, der ihr solch ein Grauen vermittelt hatte. „Ich glaube, der war es“, gestand sie kläglich.
       „Hast du ihn im Park getroffen?“
       „Das weiß ich nicht.“ Sie zuckte die Schultern. „Ich hab niemanden gesehen, nur gespürt, dass da jemand war. Ich hab den Atem gehört und ein sachtes kühles Streicheln über meine nackten Arme.“ Melanie war noch immer ganz gefangen von der Erinnerung an den letzten Abend. Doch dann fiel ihr ein, dass sie mit dieser Erzählung der Schwester noch zusätzliche Angst bereiten würde.
       „Es war vermutlich doch nur ein Traum“, versuchte sie abzuschwächen. „Zuviel ist auf mich eingestürmt in der letzten Zeit. Vor allem die viele Verantwortung für alles macht mir ziemlich zu schaffen.“
       „Lass mich dir helfen, Melanie. Bitte sag, was ich tun kann.“ Alanis kuschelte sich an die Brust ihrer Schwester, die den Arm einladend ausgebreitet hatte. „Ich möchte, dass du glücklich bist und wir wieder so fröhlich werden wie früher, als Mum noch lebte. Warum nur musste sie so früh sterben?“ Das Mädchen schluchzte verhalten auf.
       „Das Schicksal geht manchmal die seltsamsten, für uns unbegreiflichen Wege. Wir müssen es einfach akzeptieren, weil wir sonst nicht überleben können“, antwortete Melanie nachdenklich und streichelte unablässig das dunkle, seidige Haar der Schwester, das sich wie eine Flut über ihren Arm ergoss.
       „Du bist so klug, Mel, und doch bringt es uns nicht weiter. Gestern bist du in den Park gegangen und viele Stunden nicht mehr wieder gekommen. Das war nicht klug sondern leichtsinnig. Ich dachte, es sei dir etwas geschehen“, murmelte Alanis und schloss die Augen. Für einen kurzen Moment hatte sie wieder dieses Geborgenheitsgefühl, das sie früher immer nur im Arm der Mutter gehabt hatte.
       „Es waren tatsächlich viele Stunden?“
       Alanis nickte. „Weißt du das denn nicht mehr?“, fragte sie verblüfft. „Was hast du denn nur so lange da draußen gemacht? Eine Weile hat es sogar geregnet.“
       „Ja, von den Bäumen“, meinte Melanie trocken. „Ich hab alles abbekommen und hatte nicht nur nasse Haare, als ich endlich wieder zurück war. Auch in meine Schuhe ist es mir gelaufen und mein Kleid war ebenfalls ganz schwer vor lauter Wasser. Vermutlich werde ich es wegwerfen müssen, weil es ganz verzogen und verwaschen sein wird.“
       „Ich hatte dich gewarnt. Allerdings hatte ich Schlimmeres befürchtet als nur einen heftigen Regenguss.“ Das Mädchen brach in helles erleichtertes Lachen aus, wurde aber gleich wieder ernst. „Wie hast du dich gefühlt, als du im Park warst? Hast du ihn dir etwas ansehen können?“ Sie schien jetzt echt interessiert zu sein.
       „Es war ziemlich dunkel“, gestand Melanie. „Ich konnte kaum was erkennen. Als ich merkte, dass ich auf einmal nicht mehr allein war, bin ich los

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