So schoen und kalt und tot
gelaufen. Ich weiß nicht einmal, ob mir der große Unbekannte gefolgt ist, ob es ihn überhaupt gegeben hat.“
„Es hat ihn gegeben und es gibt ihn immer noch.“ Alanis starrte ins Leere, als würde sie auf diese Weise einen Blick in eine andere Welt erhaschen können. „Er wartet darauf, endlich sein Werk vervollständigen zu können.“
„Welches Werk?“
„Er will töten.“
„Mich?“
Alanis schüttelte den Kopf. „Nicht nur dich. Er will ganz einfach nur töten – zerstören. Das ist seit ewigen Zeiten sein einziges Anliegen. Er ist ein Urahn des Laird.“
„Und was haben wir mit dem zu schaffen? Er kennt uns nicht und wir haben ihm nichts getan. Wir sind nur wegen eines Versehens hier gelandet und sollten so schnell wie möglich unsere Sachen packen und wieder von hier verschwinden.“ Es fiel Melanie nicht leicht, das zu sagen, denn wenn Alanis ihren Vorschlag annahm hatte sie ein unüberschaubares Problem.
„Es ist zu spät“, sagte Alanis leise. „Er hat uns bereits gefunden. Wir müssen aufpassen, dass er uns nichts anhaben kann. Das ist das Einzige, was wir tun können.“ Langsam kehrte das Mädchen in die Gegenwart zurück. „Was machen wir heute?“
„Keine Ahnung.“ Es fiel Melanie nicht leicht, sich ga normal zu verhalten, als wäre die Worte eben nie gesagt worden. Sie spürte genau, dass zumindest einiges der Wahrheit entsprach, was ihre Schwester sagte, doch sie konnte nicht abschätzen, wovor sie sich in Acht nehmen musste und was nur Fantasie war.
„Wir könnten ein bisschen die Umgebung unsicher machen“, schlug das Mädchen vor. „Immerhin sollten wir unsere neue Heimat kennen lernen. Ich würde gern einen Spaziergang unternehmen.“
„Du vergisst, dass ich nicht hier nicht, um Urlaub zu machen oder ich zu erholen sondern zum Arbeiten. Ich werde zuerst einmal mit Lady Angela sprechen, wenn sie Zeit für mich hat. Und danach können wir entscheiden, was wir unternehmen, ob wir etwas unternehmen und mit wem. Vermutlich werden wir Benjamin als Führer engagieren, falls er mit uns gehen mag.“
Alanis verzog das Gesicht. „Heute schon?“, fragte sie gedehnt. „Irgendwie ist der mir unheimlich“, fuhr sie leise fort und schaute sich erschrocken um, als fürchte sie, einen Zuhörer zu haben.
„Der Junge ist elf Jahre alt. Er wird dir nichts tun“, versicherte die junge Frau. „Gib ihm doch die Chance, ihn richtig kennen zu lernen. Wir werden zumindest einige Monate, wenn nicht Jahre hier verbringen, da bleibt uns gar nichts anderes übrig als uns auch mit dem, was uns nicht so behagt, wenigstens zu arrangieren.“
„Vielleicht hast du Recht“, meinte Alanis zweifelnd. „Dann gehen wir mal runter und sehen nach, was heute auf dem Programm ist. Ich würde gern nach Glannagan gehen und den Friedhof ansehen, von dem Benjamin gesprochen hat.“
Wie Melanie insgeheim vermutet hatte, gab es für den ersten Tag auf Rochester Castle keinerlei Programm für die beiden Gäste. Lady Angela hatte mit einigem Schreibkram zu tun, der immer wieder anfiel und den ihr Mann zutiefst verabscheute. Ian McGregor war schon längst mit dem Einspänner nach Glannagan gefahren, um sich beim Inspektor zu melden, der die Untersuchung wegen des Verbrechens im Zug leitete, und Benjamin war längst wieder im Park bei seinem geliebten Seelengarten.
Erst nach dem Wochenende sollte der Ernst des Lebens für den Sohn des Lairds beginnen. Also hatten Melanie und ihre Schwester noch vier Tage, um sich in ihrer neuen Heimat umzusehen und sich ein wenig einzuleben.
Benjamin schien ziemlich erfreut über die Einladung zu sein, die beiden Frauen nach Glannagan zu begleiten. „Ich hatte ohnehin nichts Besonderes vor heute“, antwortete er, als Melanie ihn fragte.
„Das war eine ziemlich kluge Entscheidung“, lobte Lady Angela, die gerade ihr Töchterchen zu Bett gebracht hatte. „Auf diese Weise wird sich Benjamin bestimmt sehr schnell an Sie gewöhnen.“ Man konnte ihr ansehen, wie erleichtert sie war, dass ihr Sohn sich ohne zu murren den beiden Frauen angeschlossen hatte.
„Oh, das war nicht nur uneigennützig“, antwortete Melanie lächelnd. Sie hatte bereits ihre Tasche in der Hand und wartete nur noch auf Alanis und Benny. „Ich möchte so viel wie möglich von hier kennen lernen, denn da ich heimatlos bin, würde ich doch gern irgendwo wieder eine kleine Hoffnung auf eine Zukunft
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