So schoen und kalt und tot
daran, es zu ändern.“
Melanie lächelte zurück. Sie hatte mit einem Mal ganz vergessen, dass sie eigentlich hatte gehen wollen. Das Gespräch mit diesem rotblonden Fremden gefiel ihr immer besser. „Sie sind Ire?“, fragte sie aus ihren Gedanken heraus, denn ihre Stiefmutter hatte immer behauptet, alle Iren hätten rote Haare.
„Woher wissen Sie das?“ Chester schmunzelte und fuhr sich mit den Fingerspitzen demonstrativ durch sein dichtes Haar. „Oder meinten Sie meine Sommersprossen auf der Nase?“
„Oh, die habe ich noch gar nicht bemerkt“, ging sie auf seinen leichten Ton ein und lachte. „Aber jetzt, da Sie es sagen muss ich zugeben, dass sie mir tatsächlich nicht aufgefallen wären, weil es so wenige sind."
Sie schwiegen eine ganze Weile, Minuten, in denen der Mann sie aufmerksam musterte, bis ihm auffiel, dass dies nicht gerade höflich war und auch nicht von guter Kinderstube zeugte. „Verzeihung“, murmelte er und wandte sich ab. „Ich hatte nur plötzlich das Gefühl, Sie schon öfter gesehen zu haben.“
„Ja, natürlich“, antwortete Melanie und lächelte. „Ich bin ja auch schon sehr lange in dieser Gegend“, fuhr sie fort. „Wenn man es genau nimmt, seit etwa zwanzig Stunden.“ In ihren Augen blitzte der Schalk, als sie ihn anschaute.
„Das ist nicht Ihr Ernst.“ Seine Überraschung war nicht gespielt. „Ich bin mir sicher, dass ich Sie hier schon gesehen habe. Es muss auf Glannagan Castle gewesen sein. Ja, jetzt weiß ich es. Es war – ein Bild, ein Gemälde. Es war wunderschön, und es hat mich sehr beeindruckt, sonst hätte ich es vergessen.“
Melanie lächelte vor sich hin, noch immer überzeugt davon, dass sein Bericht nichts anderes bedeuten sollte, als dass er mit ihr im Gespräch bleiben wollte. „Dieses Bild würde ich gerne sehen. Vielleicht ergibt sich ja die Möglichkeit, dass ich es mir einmal anschauen kann.“
„Ich weiß nicht. Der kleine Billy, der Sohn des Hauses und mein Schüler, ist letztes Jahr am Fieber gestorben. Seitdem wurde Mr. Patterson kaum mehr in der Öffentlichkeit gesehen. Ich glaube nicht, dass er erfreut wäre, wenn ich an seiner Türe klopfe.“ Chester schüttelte nachdenklich den Kopf. „Billy war ein so lieber Junge. Er fehlt mir noch immer sehr.“
Melanie schwieg. Sie konnte dem Lehrer sehr gut nachfühlen, wie weh ihm der Verlust des Jungen getan hatte. Auch sie hatte ihre Kinder, die sie in London unterrichtete, ins Herz geschlossen gehabt. Und als sie ihre Arbeit aufgeben musste und ihre Klasse ihr einen wunderschönen Abschied bereitete, da war ihr Herz auch sehr schwer gewesen.
„Es tut gut, mit Ihnen zu reden“, meinte Chester nach einer Weile. Er schaute sie freundlich an, hatte sein Lächeln wiedergefunden. „Welches Schicksal hat Sie ausgerechnet in die Highlands verschlagen? Bitte verzeihen Sie, falls ich indiskret oder neugierig erscheine. Dann schicken Sie mich am besten gleich in die Wüste, damit Sie Ruhe vor mir haben.“
„Das ist in Ordnung. Warum sollte ich es Ihnen nicht erzählen? Ich habe nichts zu verheimlichen. Wir, meine jüngere Schwester Alanis und ich, haben unser Haus in London verkauft, nachdem unsere Mutter bei einem Unfall ums Leben gekommen ist. Unser Vater ist schon länger tot“, fügte sie erklärend hinzu.
„Da haben Sie schon viel Schweres erleben müssen.“ Chester legte eine Hand auf die von Melanie. „Ich hoffe, Sie werden hier in Glannagan sehr glücklich. Haben Sie eine Arbeit oder… ?“
Laird und Lady McGregor haben uns fürs Erste aufgenommen“, berichtete Melanie weiter. „Ich soll deren elfjährigen Sohn Benjamin unterrichten. Er und meine Schwester sind eben auf den Friedhof gegangen. Mir scheint, Benjamin liebt den Friedhof, zumindest hatte ich den Eindruck.“
Chester Flannagan nickte. „Ich kennen Benny flüchtig. Er ist ein… besonderer Junge“, meinte der Mann nach kurzem Zögern. „Zwei meiner Kollegen haben sich bereits vergeblich um ihn bemüht“, versuchte er, sich vorsichtig auszudrücken.
„Ich weiß“, antwortete Melanie und lachte leise. „Benjamin scheint ein ziemlich eigenwilliges Kind zu sein, soweit man von ihm überhaupt noch als Kind sprechen kann. Er macht auf mich einen für seine elf Jahre ziemlich erwachsenen Eindruck."
„Der künftige Laird ist mit seiner Entwicklung weit voraus“, stimmte Chester ihr zu, ohne ihre Hand los zu lassen. „Wenn
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