So schoen und kalt und tot
heimliches Getuschel.
Wo war Benjamin geblieben? Warum war er ihr nicht gefolgt?
Plötzlich war Alanis davon überzeugt, heftiges Atmen ganz in ihrer Nähe zu hören. Sie stand neben einem hohen Busch, der sie weit überragte und sehr breit war. Für einen Menschen war es leicht, sich in den dichten Ästen mit den vielen Blättern zu verstecken.
Das Mädchen stand wie erstarrt. Entsetzen lähmte seinen Körper und für einen Moment lang auch den Verstand. Alanis war überzeugt davon, den Atem nicht nur zu hören sondern auch spüren zu können. Aus dem Augenwinkel sah sie etwas langsam auf sich zukommen, das sich ihr aus dem Gebüsch entgegen streckte. Es sah aus wie eine Hand, aber sie konnte es nicht genau erkennen.
Mit ihren Blicken durchbohrte sie die Dämmerung, aber von Benjamin war nichts zu sehen. Ihre Gedanken wirbelten wild durcheinander und vermischten sich mit der Panik, die immer schlimmer wurde.
Am liebsten hätte Alanis laut geschrieen, doch das wagte sie nicht. Sie wusste ja nicht, wie der Geheimnisvolle, der kaum einen Steinwurf von ihr entfernt vermutlich auf einen Fehler von ihr lauerte, darauf reagierte. Vielleicht würde er ja dann aus seinem schützenden Dunkel herausspringen und sich auf sie stürzen.
Langsam wich sie zurück, bis sie das raue Holz der hohen Türe an ihrem Rücken spürte. Dann griff sie nach hinten und fasste die Klinke. Sie drückte sie nieder und huschte nach drinnen.
Ihr Herz pochte wie der Schnabel eines Spechts, so schnell und heftig. Sie spürte jeden Schlag an ihren Rippen, und noch immer war der Gedanke an Flucht sehr intensiv.
Sie schaute sich um in der Angst, der Unsichtbare sei ihr gefolgt. Aber sie war allein in der Halle, war in Sicherheit. Obwohl auch hier in diesem düsteren Raum nur einige Kerzen als Notbeleuchtung angezündet waren, fühlte sie sich behütet.
Als sie sich etwas beruhigt hatte überlegte sie, ob sie Laird Ian suchen und ihm von Benjamin erzählen sollte und von dem Unheimlichen, der noch immer draußen im Park war.
Doch diese Entscheidung wurde ihr abgenommen. Eine der Türen wurde geöffnet und Lady Angela trat in die Halle. „Da bist du ja, Alanis“, stellte die Frau erfreut fest. „Was ist mit dir? Du siehst blass und verängstigt aus.“
„Ich weiß nicht“, stammelte das Mädchen. „Wir waren im Park, und dann bin ich davon gelaufen.“ Sie wich dem forschenden Blick der schönen Lady aus.
„Davon gelaufen?“, fragte Angela überrascht. „Ja, um Himmels willen, wovor denn? Doch nicht vor Benjamin?“
„Nein, nicht direkt. Ich… hatte plötzlich Angst vor seinem Seelengarten.“ Ihre Augen schwammen in Tränen, als sie Angela anschaute. „Was ist das, der Seelengarten?“
„So genau kann ich dir das auch nicht sagen, Alanis“, antwortete Angela ein wenig verwirrt. Insgeheim musste sie sich eingestehen, dass sie sich diese Frage auch schon einige Male gestellt hatte. Auch Benny hatte sie danach gefragt, aber nie eine erschöpfende Antwort bekommen. Schließlich hatte sie es einfach akzeptiert, ohne weiter darüber nachzudenken.
„Er sieht aus wie ein kleiner Friedhof“, bemerkte Alanis vorsichtig, ohne Lady Angela aus den Augen zu lassen. „Ich glaube, er begräbt dort tote Tiere.“ Sie wusste selbst nicht, weshalb sie das sagte, denn bis jetzt war ihr dieser Gedanke noch nicht gekommen. Nun war er auf einmal in ihrem Kopf, und sie war überzeugt davon, die richtige Erklärung gefunden zu haben.
Angela schüttelte den Kopf. „Das glaube ich nicht“, sagte sie leise, und es klang nicht ganz überzeugt. „Warum sollte er dort tote Tiere beerdigen? Ich wüsste auch gar nicht, was für Tiere. Wir haben keine außer Fever, und der lebt noch.“ Weder sie selbst noch Alanis lachten über diesen kleinen Scherz, denn der ernste Unterton in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
„Soll ich dir noch etwas zu essen bringen lassen? Wo steckt überhaupt Benjamin überhaupt? Ist er nicht mit dir zurückgekommen?“ Sie schaute sich suchend um.
„Er ist noch im Park“, antwortete Alanis kleinlaut. „Er wollte noch einiges an seinem Seelengarten richten. Ich konnte nichts tun.“ Sie war so voller Angst, dass ihr fast übel war.
„Hätte ich mir denken können.“ Die Lady seufzte traurig auf. „Ich hoffe nur, du kannst meinen Sohn ein bisschen zur Ruhe bringen. Er ist wie ein junger Hund, wild und unüberlegt. Seine
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