So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition)
folgen, irgendwann klappt’s dann schon? Das ist es nicht. Das kann es nicht sein. Man muss doch irgenwann sagen dürfen, ich geh nicht mehr weiter. Da mache ich nicht mit. Was ist denn mit demjenigen, der sich weigert, weiterzuziehen? Darf der gar nicht mehr positiv in unserem Denken auftauchen? Muss man den gleich verurteilen?
Heute hätte ich gern eine Flasche Whisky, um weiterzureden, bis ich vor Erschöpfung einschlafe. Und wenn die dann morgen kommen, sage ich einfach: Verpisst euch, geht weg, lasst mich allein, ich fliege gerade. Und vielleicht findet man an meinen Händen dann Wundmale. Alle wundern sich: Da scheint was passiert zu sein. Über Nacht wurde er ein ganz anderer Mensch.
Meine Güte, ist das lächerlich.
Wieso verachte ich das alles plötzlich so? Zum Hass fehlt mir die Kraft, aber Verachtung geht. Ich versteh das alles nicht. Obwohl, das stimmt nicht, ich versteh ja sehr wohl. Man hat mich auf eine falsche Fährte geschickt. Ob das Gott war, sei dahingestellt. Wahrscheinlich nicht. Aber dass so viel Mist gedacht werden darf über die Religion, über die Kirche, über das Christentum, ist ein zentraler Fehler von Gott und von Jesus, das ist deren Armutszeugnis. Das ist kein Begriff von Freiheit, zu sagen: Ja, dieWelt muss selbst entscheiden, wir halten uns da raus.
Ihr habt eine gute Idee gehabt. Okay. Aber ich kann doch jetzt nicht losziehen, den Ratzinger anrufen oder was weiß ich wen, und sagen: Herr, erbarme dich meiner! Können Sie nicht auch noch eine Kerze anzünden? Und der antwortet: Gottes Wille geschehe. Das ist doch die beschissenste Vertriebsanlage, die man sich vorstellen kann. Gott und Jesus haben einfach alles erlaubt. Sie haben gesagt: Die Erde soll sich wer auch immer untertan machen. Sie ist sowieso verloren.
Das kann es doch nicht sein. Man muss doch irgendwie dafür sorgen, dass all das alberne Geschwafel über Gott, Jesus und noch ein paar Damen aufhört. Damit wir begreifen lernen, dass es im Kern um eine Beziehung zum Leben geht, die auch den Tod integriert, die auch das Scheitern mit einbezieht, die nicht nur von Schönheit und Erfolg ausgeht, sondern auch mit Hässlichkeit und Misserfolg rechnen lernt. Dass man sich dem Zöllner und der Hure näher fühlen sollte als dem Pharisäer.
Aber durch das ganze rote Zeug, durch diese Kostüme, durch dieses Geschwafel, durch diese Psalmen und ich weiß nicht was, ist das Ohr nicht nur beleidigt, es ist regelrecht zugeklebt. Wäre es nur beleidigt, könnte es ja noch zurückkeifen. Aber das kann man ja gar nicht mehr.
Lieber Gott, ich würde so gerne sagen, dass ich auf dich und deine Leute scheiße.Aber das schaffe ich nicht. Noch nicht. Kann nur sagen, lasst mich einfach in Frieden. Bin eh zu nix fähig. Ist schon alles ganz richtig so. Ich bin wahrscheinlich schon tot. Ich habe es nur noch nicht gemerkt. Deshalb die Scheiße jetzt. Na ja … Gute Nacht.
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Donnerstag, 24. Januar
Die Wut von gestern ist heute fast schon wieder verflogen. Als ich beim MRT in dieser Kugel lag und die Ärzte so komisch waren, wollte ich nur noch raus aus der Nummer und dachte, ich müsse jetzt meine Absage an Gott und Jesus formulieren. Hatte die totale Panik, im Gehirn seien schon Metastasen. Das ist aber nicht so, die Ärzte haben nichts gefunden.
Natürlich ist mir Jesus mit seiner komischen Leidensnummer nahe. Er hat es geschafft, so viele Gedanken in Gang zu setzen wie kein anderer Mensch. Das heißt, er hat Leiden produktiv gemacht. Und das ist toll. Mein Kampf richtet sich gar nicht gegen Gott oder gegen Jesus, aber ich möchte sagen können: Leute, ich danke schön. Ich bin mit euch weiter verbunden. Das geht gar nicht anders. Aber ich knie nicht mehr nieder, ich sing kein Halleluja mehr oder sonst was, wir singen auch keinen Chor. Kümmert euch mal um die andere Scheiße. Kümmert euch mal um euer Vertriebssystem und eure Werbestrategie. Damit könnt ihr nicht zufrieden sein. Das kann ich mir nicht vorstellen. Macht mal da irgendwas. Das ist wichtiger. Lasst mich jetzt einfach in Ruhe.
Auf Zehenspitzen durch die Welt laufen
Die Bronchioskopie heute war okay. Ich wurde liebevoll begrüßt und bekam sofort eine sanfte Vollnarkose. Warm wurde es mir, und weg war ich. In der Aufwachphase habe ich dann etwas sehr Schönes erlebt. Da stand eine Mutter an einem Kinderbettchen gegenüber. Im Dämmerzustand habe ich sie gebeten, sie solle doch mal zu mir kommen. Ich habe sie gefragt: Was hat Ihr Kind? Was ist mit Ihrem
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