So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition)
versenkt.
Dieser Produktiv-Blödsinn ist einfach schön, ist einfach klasse. Es geht nicht um irgendein Sozialprojekt »Reis für Afrika«, es geht auch nicht um einen Transformationsprozess, bei dem jetzt endlich mal Erkenntnisse purzeln, wer in welchem Land was gelernt und wer was voneinander geklaut hat, sondern es ist wahrscheinlich alles viel einfacher. Es geht wirklich um den simplen Vorgang: Ich will ein Opernhaus bauen, mit Probebühnen, auf denen wir eine absurde Opernveranstaltung proben.
Und zu guter Letzt kommen wahrscheinlich wieder diese eindeutigen Gesellen, die immer alles auswringen und filtern, damit wir nachher wissen, wie, wo, warum und wieso. Die fragen sich dann: Was soll das? Das ist aber nicht schlüssig!
Da kann ich nur sagen: Das Leben ist nicht schlüssig. Das ist einfach mal ganz klar festzustellen. Da kann der Papst auf’m Vulkan tanzen: Das Leben wird nicht schlüssiger. Das ist ein unschlüssiges Leben hier, das genau aus dieser Unsicherheit seine Kraft bezieht. Und ich will, dass man das wahrnimmt: Es gibt genug Leute, die wissen, dass es für sie keinen schlüssigen Schluss geben kann. Gerade in Ländern, in denen es nicht so gut läuft wie bei uns. Es wird nicht so, wie sie es wollen. Daher werde ich immer versuchen, denjenigen zu untergraben, der kommt und sagt: Das ist aber nicht schlüssig, weil es ja soundso ist. Es ist nie so, wie es ist!
Ein Problem könnte daher sein, dass am Schluss keiner mehr Zeit hat und alle meine Freunde nach Hause müssen. Und ich sitze da immer noch in Afrika und habe eine Methode gefunden, die Krankheit zu besiegen. Das wäre natürlich auch komisch: Wenn die Sache sich verselbstständigt, sich mein Körper verselbstständigt und einfach nicht am Ziel ankommt. Ein Finale ohne Ende.
Ich wäre natürlich froh, wenn sich dieses Afrikaprojekt als der Weg entpuppen würde, der zum Sieg über die Krankheit führt. Ich wäre superfroh, wenn das klappen würde. Und es gäbe auch noch genug Zeit, dieses Projekt dann mit sechzig zu Ende zu führen oder noch später. Aber wann es auch immer so weit ist – ich glaube, es ist ein ganz, ganz wichtiger Schritt, irgendwann sagen zu dürfen: Leute, das geht so alles nicht mehr weiter, ich habe schon vier Schläuche im Arsch, hier noch ein letztes Interview im Krankenhaus, und da noch ein Grabspruch – das geht so nicht, ich will diesen anderen Schritt. Den ermöglichen mir dann meine Freunde. Das ist jetzt erst einmal mein Traum.
Und wenn ich ein Kind hätte – das habe ich vor ein paar Tagen schon am Grab meines Vaters gedacht –, würde ich darauf bestehen, dass es nachher ein Grab gibt. Vielleicht ist so ein Grab ja auch ohne Kind wichtig. Für die Leute, die mir nahe sind. Nicht damit sie mich da verehren, sondern damit sie die Chance haben, mich am Grab zu beschimpfen. Damit es irgendwo einen Ort gibt, damit die Leute sagen können: Ich geh noch einmal zu dem Sausack und sage jetzt einfach Danke, oder ich sage, pass auf, ich habe noch ein Hühnchen mit dir zu rupfen. Das hat für mich an dem Grabstein meines Vaters besser funktioniert, als wenn ich mir hätte vorstellen müssen, er hätte sich in Luftmoleküle aufgeteilt.
Aber eins steht fest: Ich will nicht in das Grab meiner Eltern. Ist vielleicht komisch, aber wenn das schon mit dem Alleinsein auf der Welt nicht klappen sollte, dann will ich wenigstens im Tod alleine sein.
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Samstag, 26. Januar
So, jetzt ist Aino weg. Habe versucht, sie wegzuekeln, weil ich das alleine durchziehen muss. Kann keiner an der Scheiße hier teilnehmen, muss ich alleine machen. Ich will alleine sterben. Die soll zu ihren Proben gehen und sich dort einen anderen suchen. Ob ich mich vom Hochhaus stürze, mir in den Kopf schieße, in Afrika oder auf dem OP-Tisch lande, ist alleine meine Entscheidung. Da kann ich nicht an Aino oder an meine Mutter denken – ich will auf alle Fälle alleine entscheiden.Weil der Weg in die Freiheit nur bedeuten kann, dass man sich auf eigene Gesetze einlässt, die man natürlich nicht selbst macht, sondern die einem, in diesem Falle besonders, von anderen vorgeschrieben werden. Jetzt noch irgendwo eine Öffnung zu haben, wo man sagt, ich werde betreut, ich werde bemitleidet, ich habe noch jemanden, der Händchen hält und so weiter, das ist es nicht, das geht nicht. Bei dem Ding gibt’s keinen romantischen Part. Ich werde nicht zulassen, dass Aino an dem Spiel teilnimmt. Ich bin doch eh ein Saukerl wie meinVater, ein Weichei.Aber
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