So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition)
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Samstag, 2. Februar
Eigentlich hat der Tag heute toll begonnen. Ich bin nämlich auf die Normalstation entlassen worden. Das war ein großer Triumph. Triumph ist zwar ein blödes Wort, aber solche Begriffe fallen einem sofort wieder ein, wenn es einem etwas besser geht. Hat aber eigentlich keine Bedeutung.
Beim Aufwachen hatte ich die üblichen Schmerzen. Trotzdem: Wacker sein, aus den Federn raus, ins Badezimmer, sich waschen, ein bisschen gewaschen werden, weil man hinten so schlecht drankommt. Dann wurde ich noch einmal geröntgt, das hieß also, im Rollstuhl über die Gänge jagen. Dann wieder ins Bett, Werte messen und all diese Sachen. Der Sauerstoffgehalt im Blut ist wirklich Wahnsinn, das glaubt man nicht: Der liegt bei 95 bis maximal sogar 98 Prozent. Das Atmen fühlt sich manchmal etwas komisch an, so als sei da eine Ecke, wo sich die Luft dran schabt oder irgendwie dran hängen bleibt.Aber der Schmerz lässt nach, das spüre ich, obwohl ich heute sogar viel husten musste.
Professor Kaiser war auch noch da, bevor ich auf die Normalstation verlegt wurde. Hat mich vor all seinen Leuten fett gelobt: »Das haben Sie richtig klasse gemacht, Ihre Mobilisierung und wie Sie sich verhalten haben, ganz toll.« Schon lange nicht mehr habe ich mich so sehr über ein Kompliment gefreut. Beim Abschied sagte er noch, ich solle es mir jetzt oben auf dem Zimmer gut gehen lassen und mir mit Aino einfach ein schönes Wochenende machen.
Vorher kam noch die Frage nach dem Bademantel auf. Das sind so Kleinigkeiten, die jetzt langsam wieder interessant werden: Wieso ist denn da kein Bademantel? Die letzten Tage hat man auf so etwas überhaupt keinen Wert gelegt. Aber plötzlich geht’s dann wieder um einen Bademantel. Aber das sind gute Momente, weil sie so banal sind. Eigentlich hatte ich also einen sehr guten Start in den Tag. Als ich oben ankam, war Aino schon da. Und mein Team hatte mir einen Packen E-Mails mit Genesungswünschen ausgedruckt, die ich erst einmal in Ruhe gelesen habe. Da wurde mir mal kurz bewusst, wie viele Leute ich kenne, wie viele Leute da tatsächlich mit mir mitfiebern – das tut einem natürlich gut. Das berührt einen, gerade in einem Moment, wo man sich ganz klein fühlt und sich über so eine Reise im Aufzug rauf in die vierte Etage freut, als sei es die Mondlandung.
Dann kam das Mittagessen. Obwohl ich keinen Hunger hatte, habe ich mir gesagt, egal, das wird jetzt gegessen. Und dann hat es auch geschmeckt: Es gab Rinderbraten mit Kartoffelpüree, dazu habe ich noch einen Rote-Bete-Salat weggeputzt, als Nachtisch gab’s zwei Kiwis.
Nach dem Mittagessen habe ich noch ein bisschen gelesen, bin dann aber schnell müde geworden und eingeschlafen. Als ich aufwachte, war eigentlich auch alles noch toll, vor allem war ich so froh, dass mich nicht wieder so ein Schrecken ansprang. Aber von da an liefen die Dinge blöd … Tja, das »Aber« muss natürlich auch wieder kommen, sonst wäre das ja in meinen Augen hier kein kompletter Vortrag. So eine Scheiße, immer muss dieses Aber kommen. Kann man wohl nichts machen.
Jedenfalls kam eine ziemlich poltrige Schwester rein und sagte, ich hätte Besuch von einem Freund. Aino hatte extra eine Besucherliste mit ganz wenigen Namen aufgestellt, weil sie schon ahnte, dass ich hier oben nicht so abgeschirmt sein würde wie auf der Intensivstation. Und dieser Freund stand eben nicht auf der Liste. War der Schwester aber scheinbar egal, vielleicht hatte sie die Liste auch gar nicht zu Gesicht bekommen. Jedenfalls platzte sie rein und sagte, dass mich ein Freund besuchen wolle, er warte schon auf dem Gang. Ich meine, was soll man da machen? Ihn wegschicken? Das schaffe ich nicht, dafür bräuchte man Kraft, und die habe ich zurzeit nicht. Außerdem hat er ja auch mitgefühlt, das spüre ich, und ich mag ihn auch sehr.
Da habe ich zur Schwester gesagt, ja gut, dann soll er reinkommen, aber sie solle doch nach einerViertelstunde wiederkommen und ihm sagen, dass ich jetzt Ruhe brauche. Darum hatte ich sie gebeten.Aber sie kam nicht, und ich selbst habe es nicht geschafft, ihn zu bitten, er solle jetzt gehen. Er war eine Stunde da. Und natürlich spricht man dann auch über dieses und jenes, über die Johanna-Inszenierung, man erzählt leichtfertig Geschichten, auch wenn man vielleicht gar keine Lust dazu hat, die hier und jetzt in die Welt zu tragen. Als er ging, war meine Stimme ganz matschig, und ich musste ganz viel inhalieren. Ich weiß nicht,
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