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So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition)

So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition)

Titel: So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Schlingensief
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ziemlich trantütig. Nicht benommen, aber missmutig, irgendwie leer.
    Das will ich eigentlich gar nicht. Ich will nicht in so einer Versteifung landen. Da muss ich dann wieder an meinen Vater denken, der nichts mehr genießen konnte, weil er immer nur denken konnte: Es wird ja noch schlimmer, es wird ja demnächst noch schlimmer. Und es wurde ja auch schlimmer, er wurde immer blinder und blinder und konnte sich immer weniger bewegen. Vielleicht bin ich demnächst auch so drauf. Vielleicht sage ich nur noch, es ist doch alles furchtbar oder so was, und vergesse dabei die schönen Momente, die tollen Situationen, die Sonne, die vielen Freunde, die ich habe. Das kann sein. Da muss ich wirklich aufpassen.

    »Wir geben jetzt volle Kanne, es gibt keine Gnade!«
     
    Aber vielleicht hat es auch mit den Gesprächen mit diesen Onkologen in der Klinik zu tun. Das ist immer so schwierig für mich, ich weiß auch nicht, warum. Aber ich meine, was soll man denn denken, wenn einer da sagt: »Wir geben jetzt volle Kanne, es gibt keine Gnade.« Ja, wo sind wir denn? Keine Gnade! Meinen die, sie müssten dem Typen aus dem Sensibelchenverein unbedingt reinen Wein einschenken, weil der damit sonst nicht fertig wird? Knallharte Aufklärung zwecks Abhärtung oder was? Ich finde das völlig falsch. Ich finde, sie sollen die Chemo nicht verniedlichen, aber sie sollen sagen: Okay, wir machen das, Sie schaffen das schon und los geht’s.
    Dass das kein Vergnügen wird, habe ich ja nun von vielen Seiten gehört, das weiß ich doch. Aber ich meine, dafür sind doch die Ärzte da. Wenn es mir nicht gut geht, dann frage ich eben oder dann rufe ich da an oder schreie »Hilfe«, dann kann man vielleicht auch noch um irgendeine Erleichterungstablette bitten. Keine Ahnung. Ich meine, was soll ich denn jetzt machen? Man fühlt sich doch eh schon so hilflos und ausgeliefert, und dann sagen die noch hämisch: »Tja, jetzt surfen Sie nicht mehr, jetzt werden Sie gesurft. Eins kann ich Ihnen sagen: Sie werden es hassen! Diese fünf Monate werden hart, Sie werden keine Eigenständigkeit mehr haben. Das müssen Sie ertragen lernen.« Das hat einer wirklich gesagt. Da bekomme ich das Gefühl, der will mir einen Fehdehandschuh hinwerfen. Hat er ja auch, indem er so etwas laberte wie: »Ihre Todesgedanken können Sie jetzt mal vergessen. Sie werden gelb werden. Sie werden stinken. Sie werden kahlköpfig. Ihre Freunde werden sich von Ihnen abwenden. Sie werden allein sein. Wenn Sie Kinder hätten, wäre Ihnen das nicht passiert.« So was sagt der einem dann: Wenn Sie Kinder hätten, dann wäre Ihnen das nicht passiert …Was soll das? Das ist doch gestört. Er selbst habe diese Gedanken an den Tod jedenfalls komplett abgestellt. Das sei nämlich nichts, wenn man immer mit dem Tod zu tun habe, das könne man gar nicht aushalten. Da müsse man abschalten, egal ob als Künstler oder als Arzt. Ich verstehe das alles nicht. Ich meine, ich weiß nicht, was mir der jetzt in seinem Kunstleistungskurs da beibringen will.Was soll der Scheiß?
    Zu allem Überfluss hat mir Aino heute noch von ihrem Besuch bei dem Chefarzt der Onkologie erzählt. Da sagte der zu ihr: »Ja, es wird nichts mehr so sein wie früher. Das Leben wird sich komplett verändern.« Was denken die denn, wer wir sind? Das ist uns doch klar, dass sich alles extrem ändern wird. Alle sechs Wochen muss man hin, um Bluttests zu machen, um die Leber und was weiß ich was zu kontrollieren. Das zeigt ja schon, was die für eine Angst haben, dass da was wiederkommt. Aber Aino so etwas zu sagen, das klingt doch wie eine Drohung. Der kann doch nicht hingehen und meiner Frau solche Dinge sagen. Ich habe doch eh schon Ängste genug. Zum Beispiel Angst davor, dass mich Aino hier demnächst als was weiß ich wen erlebt und sich verdrückt.

    Na ja, eigentlich weiß ich ja, dass Aino mich liebt und bei mir bleiben wird. Ist alles kein Grund, so rumzujammern und rumzuschimpfen. Heute Abend haben wir jedenfalls noch ein bisschen Fernsehen geguckt. Irgendein Film von Monty Python kam – war aber auch nicht so lustig. Jetzt liege ich hier in unserem gemeinsamen Bett und mein Bauch brennt, weil ich zu flach liege. Also, so war der Tag. Eigentlich war er gar nicht so schlecht.

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    Freitag, 15. Februar
    Seit gestern geht es mir überhaupt nicht gut. Das ging morgens schon damit los, dass ich nicht aufstehen wollte und nur geheult habe. Und dann gingen die Tage in einer Art und Weise weiter, die furchtbar war.

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