So schwer, sich leicht zu fuehlen
unbedingt, dass ich esse und das verlorene Gewicht wieder zunehme, doch ich machte dicht. Mir gefiel es, auf der Waage immer weniger zu sehen, und so verkroch ich mich in meiner eigenen Welt. Ich wurde aggressiv und böse. Nicht selten schlug ich die Tür laut hinter mir zu, wenn meine Mutter wieder etwas Feines für die Familie gekocht hatte. Ich war sauer: Wie konnte sie so was Gutes kochen, wenn ich auf Diät war? Ich dachte allen Ernstes immer noch, ich wäre zu dick und müsste noch mehr abnehmen!
Meine Mutter war total hilflos. Dabei hätte sie mir auch gar nichts Recht machen können, die Arme. Ich wurde immer weniger, und mit dem letzten Restchen Fleisch verschwand auch meine gute Laune. Die wahre Déborah starb langsam ab.
Ich erinnere mich noch, wie meine Mutter einmal unter Tränen zu mir sagte (nach einem weiteren Streit über das Thema âWieso kannst du nicht mal was essen?â): âIch wünsche mir so sehr meine Tochter zurück!â
Das war ein Satz, der mich tief traf und verletzte. Aber sie hatte recht! Ich war einfach nur noch eine stets schlecht gelaunte, depressive und nervige (und hässliche!) Erscheinung, die an nichts anderes mehr dachte als: âWie überstehe ich diesen Tag, ohne mit Kalorien konfrontiert zu werden?â
Während meine Brüder ständig unterwegs waren, so wie ich früher auch, sagte ich sämtliche Partys und Geburtstage ab, einfach aus Angst, ich müsste dort etwas essen! Was, wenn ich eine Cola light bestellte und sie mir eine richtige, zuckerhaltige Cola gaben? Das wäre fatal gewesen!
SüÃstoff, das war die beste Erfindung überhaupt. Es stand jede Form von SüÃstoff in meinem Schrank. Jeden Tag nahm ich eine ungesunde Menge davon zu mir. Alles wurde damit gesüÃt, weil die Nahrung, die ich zu mir nahm, ja völlig kalorienarm und geschmacklos war. Selbst auf Knäckebrot durfte der SüÃstoff nicht fehlen!
Ich blieb also schön daheim und bekochte meine Familie ständig, was ein unheimlich beruhigendes Gefühl für mich war. Ich liebte es, groÃe und mehrgängige Gerichte zuzubereiten. Mit Freuden beobachtete ich dann, wie meine Familie sich über die Mahlzeit hermachte und die vielen Kalorien ganz selbstverständlich und ohne zu überlegen genoss.
Während ich in der Küche den Kochlöffel schwang, nippte ich an einem Glas Wasser, was ich mittlerweile nur noch mit Mühe und Not runter bekam. Mein Bauch tat mir ständig weh. Ich bekam schon bei kleinen Mengen Flüssigkeit oder Nahrung heftige Schmerzen und konnte dann kaum noch gehen. Nur, wenn ich meinen nicht mehr vorhandenen Bauch mit beiden Händen umklammerte, wurde der Schmerz einigermaÃen erträglich.
Selbstverständlich achtete ich darauf, dass immer ordentlich Kalorien in den Speisen waren, die ich für andere zubereitete. Eine Extraportion Sahne hier, noch etwas Butter und gut gefüllte Teller. Getränke wurden in Gläsern mit Zuckerrand serviert. Kalorien für alle! Aber nicht für mich ...
Ich verbrachte die meiste Zeit eines solchen Abends in der Küche, um gar nicht erst in die Gefahr zu kommen, der Versuchung nicht widerstehen zu können. Doch selbst dann noch hatte ich Angst, dick zu werden, wenn Ãl an meine Finger gelangte. âGeht das Fett eigentlich auch durch die Haut?â, fragte ich mich und wusch mir sicherheitshalber gleich mehrmals die Hände.
Genauso schlimm war es, an einer Pommes-Bude vorbeizulaufen. Ich hatte groÃe Panik vor dem Duft von Frittierfett, weil ich dachte, dass ich zunehmen könnte, wenn ich etwas davon einatmete. Deswegen hielt ich die Luft an, wenn ich an so einer Gefahrenquelle vorbeimusste. Nach dem Zähneputzen spülte ich mir den Mund immer sehr, sehr sorgfältig aus. In der Zahnpasta hätten ja versteckte Kalorien sein können!
Ich hätte von jeder Kleinigkeit die Nährwerte auswendig aufzählen können, und wenn ich ein Lebensmittel nicht kannte, machte ich einen groÃen Bogen darum. Ich nahm mir auch alle Zeit der Welt, um Kalorien runterzurechnen, wenn auf der Verpackung nur die Werte für 100 Gramm angegeben waren, ich jedoch beispielsweise nur 14 Gramm davon aÃ. Es war immer ein Highlight für mich, ein neues Lebensmittel zu entdecken, das wenig Kalorien hat.
Die Sommerferien waren für mich sehr gefährlich. Einerseits freute ich mich auf die Sonne und das Meer. Doch
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