So sinnlich kann die Liebe sein
Heiratsgegner.
Er dachte an seinen Großvater und seinen eigenen Vater, die beide geheiratet hatten, obwohl sie wussten, sie würden ihre Treueschwüre nicht einhalten können.
Er hatte sich immer den Kopf zerbrochen, warum sie das getan haben mochten.
Jetzt glaubte er das zu wissen. Be i einem solchen Erlebnis war es leicht, sich etwas vorzumachen und zu glauben, man hätte die Frau gefunden, die einen ein Leben lang fesseln könnte.
Aber keinem von Beiden war das gelungen. Sein Großvater hatte beide Frauen betrogen, und seine erste Frau war so bitter geworden, dass sie nicht wieder geheiratet hatte. Und seine Mutter hatte sich nach außen hin immer glücklich gegeben, aber er wusste von seiner Großmutter, dass sein Vater sie regelmäßig betrog und ihr dadurch das Leben zur Hölle machte.
Er erinnerte sich, dass er vor langer Zeit einen Streit mitbekommen hatte. Eines Samstagnachmittags war er früher als erwartet nach Hause gekommen.
Seine Eltern waren in der Küche gewesen, ganz in ihren Streit vertieft, der ernster und heftiger war als sonst. Jake hatte nicht lauschen wollen. Wie erstarrt war er stehen geblieben. Seine Mutter klang tiefbekümmert und sein Vater schuldbewusst.
Er hörte nur eine Minute hin. Das war lange genug, um zu verstehen, was passiert war. Er hatte sich sofort abgewandt und war zu Brad gegangen. Dort war er geblieben, bis es Zeit zum Abendessen war.
Bis dahin war seinen Eltern natürlich aufgefa llen, dass er da gewesen war, weil er seine Sachen in den Flur gebracht hatte. Und sie wollten ganz genau wissen, wann er da gewesen war.
Er hatte sie belogen und ihnen erzählt, er hätte seine Sachen nur kurz abgelegt.
Sie waren sichtlich erleichtert, und er hatte so getan, als hätte er das nicht bemerkt.
Daher wusste er seit seinem fünfzehnten Lebensjahr, dass das, was seine Großmutter ihm erzählt hatte, stimmte. Sein Vater war nicht anders als sein Großvater, und er, Jake, war aus demselben Holz geschnitzt.
Er stellte sich vor, wie es sein würde, wenn er eines Tages den gleichen Kummer in Bels Stimme hören müsste, weil er ihr Vertrauen missbraucht und sein Eheversprechen gebrochen hätte. Das war eine der hässlichsten Szenen, die er sich vorstellen konnte, und wie leicht konnte es geschehen, dass ein Kind im Nebenzimmer es mitbekam. Nein, so etwas würde er nie einer Frau antun wollen und schon gar nicht Bel.
9. KAPITEL
„Hallo, Mum."
„Annabel, bist du es?"
„Ja, ich bin es. Hast du gedacht, es wäre Tallia?" Die meisten Leute, ja selbst die engsten Familienmitglieder, hatten Schwierigkeiten, die Stimmen der beiden Schwestern zu unterscheiden.
„Nicht direkt. Sie haben gestern oder vorgestern angerufen. Sie amüsieren sich wohl fabelhaft."
„Ja, ich habe mit Tallia gesprochen, als sie in Hawaii waren. Dort scheint es sehr schön zu sein."
Mutter und Tochter unterhielten sich einen Weile über die Flitterwöchner, ehe Bel sich beiläufig erkundigte: „Was macht ihr dieses Wochenende? Kann ich euch besuchen kommen?"
Bel hatte gewartet und gehofft, dass Jake sich melden würde, aber vergebens.
Zwei Wochen waren inzwischen vergangen. Sie konnte nicht noch ein Wochenende allein zubringen. Sie hatte auch sonst nichts zu tun, und wegen der Semesterferien waren keine Freunde da, mit denen sie sich treffen konnte.
„Ja, wir sind zu Hause. Ich weiß nicht, wer von den Jungs hier sein wird, aber dein Vater und ich, wir sind da. Wann willst du kommen. Freitagabend?" fragte ihre Mutter und fügte sofort besorgt hinzu: „Komm nicht Freitagabend, Schatz, da ist so viel Verkehr. Kannst du nicht schon am Nachmittag kommen?"
„Ich wünschte, ich könnte das, aber das schaffe ich nicht, Mum. Um die Zeit sind die Handwerker und Anstreicher noch hier. Deshalb werde ich erst Samstag fahren können."
„Dann bis Samstag. Dein Vater wird vermutlich zum Abendessen grillen.
Komm nicht zu spät, ja? Du weißt, er mag Gäste, die Appetit haben."
Bel lachte laut auf, und auf einmal schluchzte sie auf.
„Bel, du weinst ja! Was ist denn? Was hast du?"
Sie wischte sich über die Augen. In den letzten Tagen war sie öfter den Tränen nahe gewesen. Wenn Jake doch nur anrufen würde ... wenigstens geschäftlich.
Dann könnte sie seine Stimme hören ...
„Ach, es ist nichts. Ich musste nur daran denken, wann ich wohl einen Mann wie Dad kennen lerne." Sie schniefte. „Wenn überhaupt."
Warum nur hatte sie ihn neulich zum Essen eingeladen? Sie hatte gewusst, dass es gefährlich
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