So soll er sterben
würde. War das die Angst, die ihn im Beruf hielt? Seine Arbeit war sein Leben. Im Lauf der Jahre hatte er zugelassen, dass alles andere in den Hintergrund gedrängt wurde: Familie, Freunde, Freizeit.
Weshalb er auch jetzt beruflich unterwegs war.
Er spazierte die Chalmers Street entlang, vorbei an der neuen Schule; bei der Kunstakademie überquerte er die Straße und bog in die Lady Lawson Street ein. Er hatte keine Ahnung, wer Lady Lawson gewesen war, bezweifelte aber, dass sie sich übermäßig geschmeichelt gefühlt hätte anlässlich der Straße, die nach ihr benannt worden war – ganz zu schweigen von den zahllosen Pubs und Klubs. Rebus befand sich wieder einmal im Pussydreieck. Viel los war nicht, denn die letzten Lokalitäten hatten erst vor sieben oder acht Stunden geschlossen. Die Menschen lagen noch in ihren Betten, um ihre samstäglichen Räusche auszuschlafen.
Die Straßen waren gereinigt worden, die Neonlichter ausgeschaltet. In der Ferne erklangen Kirchenglocken. Ein ganz normaler Sonntag.
Die Tür des Nook war mit einem Metallriegel und einem schweren Vorhängeschloss gesichert. Rebus blieb stehen und blickte zu dem leeren Kiosk auf der anderen Straßenseite hinüber. Für den Fall, dass niemand reagierte, hatte er beschlossen, auch noch die anderthalb Kilometer zum Haymarket zu laufen, um Felix Storey in seinem Hotel aufzusuchen. Er bezweifelte, dass sie so früh schon bei der Arbeit waren. Wo immer Stuart Bullen stecken mochte, im Nook war er nicht. Trotzdem überquerte Rebus die Straße und klopfte gegen das Schaufenster des Kiosk. Er wartete, schaute nach rechts und links. Kein Mensch weit und breit, keine Autos, keine Köpfe in den Fenstern der oberen Stockwerke. Er klopfte noch einmal, dann bemerkte er einen dunkelgrünen Lieferwagen, der gut fünfzehn Meter weiter am Straßenrand parkte. Rebus schlenderte darauf zu. Wem auch immer der Wagen vorher gehört hatte, der Schriftzug war übermalt worden, die Umrisse der Buchstaben unter der neuen Farbschicht gerade noch sichtbar. Rebus musste an den Überwachungswagen in Knoxland denken, in dem Shug Davidson sich eingerichtet hatte. Er blickte noch einmal die Straße entlang, dann hämmerte er mit der Faust gegen die hinteren Türen, drückte das Gesicht an die Scheibe und ging davon. Er schaute sich nicht um, blieb aber stehen, um die Kleinanzeigen im Schaufenster eines Zeitungskiosks zu studieren.
»Wollen Sie unsere Operation in Gefahr bringen?«, fragte Felix Storey. Rebus drehte sich um. Storey stand hinter ihm, die Hände in den Hosentaschen. Er trug grüne Armeehosen und ein olivfarbenes T-Shirt.
»Schicke Tarnung«, bemerkte Rebus. »Die Sache ist Ihnen wohl ernst.«
»Wie meinen Sie das?«
»Dass Sie die Sonntagsschicht übernehmen – wo das Nook erst um zwei aufmacht.«
»Was nicht bedeutet, dass niemand drin ist.«
»Nicht zwingend, aber der Riegel vor der Tür ist doch ein recht eindeutiger Hinweis…«
Storey zog die Hände aus den Taschen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Was wollen Sie?«
»Sie um einen Gefallen bitten.«
»Hätten Sie da nicht einfach eine Nachricht im Hotel hinterlassen können?«
Rebus zuckte mit den Achseln. »Nicht mein Stil, Felix.« Erneut betrachtete er das Outfit seines Gegenübers. »Was wollen Sie darstellen? Stadtguerilla oder so?«
»Einen Nachtschwärmer bei Tag«, antwortete Storey.
Rebus schnaubte. »Nun ja, aber das mit dem Lieferwagen ist keine schlechte Idee. Der Kiosk ist tagsüber zu riskant – man könnte drinnen jemanden auf einer Stehleiter sitzen sehen.« Rebus blickte nach links und rechts. »Schade nur, dass hier so wenig los ist; Sie stechen raus wie ein bunter Hund.«
Storey blickte ziemlich finster drein. »Und Ihr Gehämmere an dem Lieferwagen… ist das etwa unauffällig?«
Rebus zuckte wieder mit den Achseln. »Wenigstens haben Sie mir so Ihre Aufmerksamkeit geschenkt.«
»Allerdings. Also raus damit, was wollen Sie von mir?«
»Sprechen wir bei einem Kaffee darüber.« Rebus deutete mit dem Kopf die Straße hinauf. »Keine zwei Minuten von hier gibt’s ein Café.« Storey überlegte kurz und blickte zum Lieferwagen. »Ich gehe doch davon aus, dass Sie nicht allein hier sind«, sagte Rebus.
»Ich muss nur Bescheid sagen…«
»Nur zu.«
Storey deutete Richtung Café. »Gehen Sie schon mal vor, ich komme nach.«
Rebus nickte. Er setzte sich in Bewegung, wandte sich noch einmal um und bemerkte, dass auch Storey über die Schulter sah, während er auf
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