So soll er sterben
durch den lockeren Sand die Düne hinunter. Rebus blieb zurück, um das Geschehen zu beobachten. Er sah, wie die Muschelsucher aufblickten, sah, wie sie Säcke und Schaufeln fallen ließen. Manche blieben wie angewurzelt stehen, andere versuchten zu fliehen. Von beiden Seiten rannten uniformierte Beamte auf sie zu. Von den Dünen herab kamen Storeys Männer, und so blieb als einzige Fluchtmöglichkeit nur der Firth of Forth. Ein oder zwei wateten ins Meer, schienen sich aber eines Besseren zu besinnen, als ihre Beine und Hüften in dem eiskalten Wasser taub wurden.
Manche Polizisten schrien und johlten, andere stolperten und landeten auf allen vieren im Sand. Rebus hatte endlich eine windstille Stelle gefunden, um sich eine Zigarette anzustecken. Er atmete tief ein und ließ den Rauch lange in den Lungen, während er das Spektakel verfolgte. Die Quads fuhren in die Runde, die beiden Fahrer brüllten sich etwas zu. Einer von ihnen nahm die Sache in die Hand und wollte die Dünen hinauffahren, womöglich in der Hoffnung, dass er aus dem Schneider wäre, wenn er es nur bis zum Parkplatz schaffte. Aber sein schwer beladenes Quadrad war dieser Geschwindigkeit nicht gewachsen. Die Vorderräder erhoben sich in die Luft, und das Fahrzeug überschlug sich. Der Fahrer wurde aus dem Sattel geschleudert, und sofort stürzten sich vier Polizisten auf ihn. Der zweite Fahrer sah keinen Grund, seinem Beispiel zu folgen. Er hob die Hände und ließ den Motor im Leerlauf weitertuckern, bis er von einem anzugtragenden Einwanderungsbeamten abgestellt wurde. Die Szene kam Rebus bekannt vor… ja, das war’s: das Ende des Beatles-Films
Help
. Fehlte nur noch Eleanor Bron.
Als er zum Strand hinunterging, sah er unter den Arbeitern auch einige junge Frauen. Manche weinten. Allem Anschein nach waren es Chinesen, genau wie die beiden Männer auf den Motorrädern. Einer von Storeys Leuten beherrschte anscheinend ihre Sprache. Er formte die Hände zu einem Trichter und brüllte Anweisungen. Seine Worte konnten die Frauen nicht beruhigen, sie heulten nur noch lauter.
»Was sagen sie?«, fragte Rebus den Mann.
»Sie wollen nicht nach Hause geschickt werden.«
Rebus sah sich um. »Schlimmer als das hier kann es doch kaum sein, oder?«
Er zog eine Grimasse. »Die schleppen Vierzigkilosäcke… kriegen vielleicht drei Mäuse pro Sack, und vor ein Arbeitsgericht können sie auch nicht gehen.«
»Wohl kaum.«
»Sklaverei ist das, nichts anderes… Menschen werden zu einer Ware gemacht, die man kaufen und verkaufen kann. Im Nordosten nehmen sie Fische aus. Anderswo arbeiten sie in der Obst- und Gemüseernte. Die Banden können für jeden Bedarf Arbeiter liefern.« Er brüllte den Leuten weitere Befehle zu. Die meisten sahen erschöpft aus und waren froh über jede Gelegenheit, die Arbeit ruhen zu lassen. Die Teams an den Flanken waren eingetroffen und hatten ein paar Entlaufene mitgebracht.
»Anrufen!«, zeterte einer der Motorradfahrer. »Ein Anruf erlaubt!«
»Sobald wir auf dem Revier sind«, beschwichtigte ihn ein Beamter. »Und das auch nur, falls wir großzügig gestimmt sind.«
Storey hatte sich vor dem Fahrer aufgebaut. »Wen wollen Sie denn anrufen? Haben Sie ein Handy dabei?« Der Fahrer wollte in seine Hosentasche greifen, wurde aber von den Handschellen daran gehindert. Storey holte das Telefon für ihn heraus und hielt es ihm unter die Nase. »Sagen Sie mir die Nummer, ich wähle für Sie.«
Der Mann musterte ihn, dann grinste er und schüttelte den Kopf. So leicht ließ er sich nicht reinlegen.
»Wollen Sie in diesem Land bleiben?«, fragte Storey. »Dann sollten Sie besser anfangen, mit uns zu kooperieren.«
»Ich bin legal hier… Arbeitserlaubnis und alles.«
»Schön für Sie. Wir werden prüfen, ob die gefälscht ist oder abgelaufen.«
Das Grinsen löste sich auf wie eine Sandburg bei Flut.
»Ich lasse durchaus mit mir reden«, teilte Storey ihm mit. »Falls Ihnen etwas einfällt, das Sie mir mitteilen möchten, lassen Sie es mich wissen.« Er nickte den Polizisten zu, und der Gefangene wurde zusammen mit den anderen die Dünen hinaufgeführt. Dann bemerkte Storey, dass Rebus neben ihm stand. »Das Blöde ist nur«, sagte er, »dass er uns gar nichts erzählen muss, wenn seine Papiere in Ordnung sind. Muschelsammeln ist schließlich nicht verboten.«
»Und was ist mit den anderen?« Rebus deutete auf die Nachzügler. Sie waren deutlich älter als die anderen und schienen sich nur noch gebückt fortbewegen zu
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