So soll er sterben
gesehen hatte. »Und er hat den Mord an Cruikshank gestanden?«
Diesmal unterblieb das Nicken.
»Na ja, das war wohl etwas zu viel verlangt«, räumte sie ein.
»Aber der Punkt ist«, erläuterte Young, »dass er sich nicht bei der Polizei gemeldet hat, als der Mord bekannt wurde.«
»Und das bedeutet, dass er etwas zu verbergen hatte? Vielleicht hatte er einfach Angst, wir würden ihm die Sache in die Schuhe schieben…«
Jetzt zog Young die Stirn in Falten. »Das ist ziemlich genau die Begründung, die er genannt hat.«
»Sie haben schon mit ihm gesprochen?«
»Ja.«
»Haben Sie ihn nach dem Film gefragt?«
»Was meinen Sie?«
»Warum er ihn gemacht hat.«
Young verschränkte die Arme vor der Brust. »Er hat die fixe Idee, sich zu einer Art Pornobaron aufzuschwingen und seine Sachen übers Internet zu verkaufen.«
»Hatte wohl viel Zeit zum Nachdenken in der Bar-L.«
»Er hat dort Computerkurse gemacht und Webdesign gelernt…«
»Wie schön, dass wir unseren Sexualstraftätern so nützliche Fähigkeiten vermitteln.«
Young ließ die Schultern ein klein wenig hängen. »Sie glauben nicht, dass er es war?«
»Nennen Sie mir ein Motiv, und fragen Sie mich noch einmal.«
»Solche Typen… die verkrachen sich doch ständig.«
»Ich verkrache mich ständig mit meiner Mutter, sobald wir telefonieren – trotzdem werde ich kaum mit dem Hammer auf sie losgehen…«
Young bemerkte den plötzlich veränderten Ausdruck auf ihrem Gesicht. »Was ist los?«, fragte er.
»Nichts«, log sie. »Wo wird Saunders festgehalten?«
»Livingston. In gut einer Stunde habe ich wieder eine Sitzung mit ihm, vielleicht haben Sie Lust mitzukommen.«
Doch Siobhan schüttelte den Kopf. »Hab noch was zu erledigen.«
Young betrachtete eingehend seine Schuhe. »Vielleicht können wir uns später treffen?«
»Vielleicht«, erwiderte sie.
Er wollte gerade gehen, als ihm noch etwas einfiel. »Wir werden auch mit den Jardines sprechen.«
»Wann?«
»Heute Nachmittag.« Er zuckte mit den Achseln. »Es muss sein, Siobhan.«
»Ich weiß– Sie machen nur Ihre Arbeit. Aber nehmen Sie sie nicht so hart ran.«
»Keine Sorge, meine Rambo-Tage sind vorbei.« Er schien sich zu freuen über das Lächeln, das er mit diesem Spruch erntete. »Und die Namen, die Sie uns genannt haben, Tracy Jardines Freundinnen, mit denen werden wir ebenfalls sprechen.«
Also mit Susie…
Angie…
Janet Eylot…
Janine Harrison…
»Glauben Sie, die wissen was?«, fragte sie.
»Sagen wir es so: sehr kooperativ war Banehall nicht gerade.«
»Sie haben uns die Bücherei zur Verfügung gestellt.«
Jetzt war es an Les Young zu lächeln. »Das stimmt.«
»Ist doch komisch«, meinte Siobhan. »Donny Cruikshank ist in einer Stadt voller Feinde gestorben, und unser einziger Verdächtiger ist zugleich der einzige Freund, den er hatte.«
Young zuckte mit den Achseln. »Sie wissen doch, wie das ist, Siobhan – wenn sich Freunde verkrachen, kann das schlimmer enden als jede Vendetta.«
»Das stimmt«, sagte sie leise und nickte.
Les Young spielte mit seiner Armbanduhr. »Ich muss los«, erklärte er.
»Ich auch, Les. Viel Glück mit Spider Man. Ich hoffe, er ist gesprächig.«
»Aber Sie würden nicht drauf wetten?«
Sie schüttelte den Kopf. »Was nicht heißen muss, dass es nicht passiert.«
Belustigt zwinkerte er ihr zu und ging Richtung Ausgang. Sie wartete, bis sie draußen einen Wagen anspringen hörte, dann trat sie an die Empfangstheke, an der Roy Brinkley vor dem Bildschirm saß und für eine seiner Kundinnen die Verfügbarkeit eines Titels prüfte. Die Frau, winzig klein und zerbrechlich, klammerte sich an ihren Gehwagen und wackelte leicht mit dem Kopf. Sie drehte sich zu Siobhan und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln.
»
Polizisten leben gefährlich
«, sagte Roy Brinkley, »da haben wir es, Mrs. Shields. Ich kann es bei einer anderen Bücherei für Sie bestellen.«
Mrs. Shields nickte zufrieden, dann schlurfte sie langsam davon.
»Ich rufe Sie an, sobald es da ist«, rief Brinkley ihr nach. Und zu Siobhan: »Eine Stammkundin.«
»Und sie kann Polizisten nicht leiden?«
»Das ist Ed McBain – Mrs. Shields mag die ganz harten Sachen.« Er tippte die Bestellung in den Computer. »Wollten Sie etwas von mir?«, fragte er und stand auf.
»Ich habe gesehen, dass Sie hier Zeitungen abonniert haben«, sagte Siobhan und nickte in Richtung des runden Tisches, an dem vier Rentner die verschiedenen Teile der Boulevardblätter
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