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So soll er sterben

Titel: So soll er sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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– viel mehr – Sprüche, und eindeutig nicht alle in derselben Handschrift geschrieben. Schwarzer Marker, blauer Kugelschreiber, gelber Filzstift. Siobhan nahm an, dass der Spruch mit den drei Ausrufezeichen von derselben Person stammten wie der mit den dreien über dem Waschbecken. Sie fragte sich, ob Ishbel Jardine zu den Autorinnen zählte; ein Handschriftenvergleich würde das klären. Sie durchsuchte ihre Tasche, aber dann fiel ihr ein, dass ihre Digitalkamera im Handschuhfach des Peugeots lag. Sie würde sie holen. Sollten die Dominospieler doch denken, was sie wollten.
    Als sie die Tür öffnete, bemerkte sie, dass ein weiterer Gast eingetroffen war. Er stützte die Ellbogen auf die Theke, hielt den Kopf gesenkt, wackelte mit den Hüften. Ihr Hocker stand direkt neben seinem. Er hörte das Quietschen der Toilettentür und drehte sich um. Sie erblickte einen rasierten Schädel, ein teigiges Gesicht und einen Zweitagebart.
    Drei senkrechte Streifen auf seiner rechten Wange – Narben.
    Donny Cruikshank.
    Das letzte Mal hatte sie ihn in einem Edinburgher Gerichtsaal gesehen. Er erkannte sie bestimmt nicht wieder. Sie war nicht als Zeugin vorgeladen gewesen, hatte nie Gelegenheit gehabt, ihn zu verhören. Sie freute sich, ihn in so schlechter Verfassung zu sehen. Sein nicht allzu langer Aufenthalt im Gefängnis hatte ausgereicht, um ihm einen Teil seiner jugendlichen Vitalität zu rauben. Sie wusste, dass es unter Gefängnisinsassen eine Hackordnung gab, und Sexualstraftäter rangierten ganz unten. Sein Mund öffnete sich zu einem matten Lächeln, und er schenkte dem Bier, das gerade vor ihn hingestellt worden war, keine Beachtung. Der Wirt stand mit versteinerter Miene da, hielt die Hand ausgestreckt, um das Geld entgegenzunehmen. Man konnte sehen, dass er über Cruikshanks Anwesenheit nicht begeistert war. Eines von Cruikshanks Augen war blutunterlaufen, als hätte ihm jemand einen Boxhieb verpasst.
    »Alles klar, Schätzchen?«, rief er. Sie ging auf ihn zu.
    »Was fällt Ihnen ein, mich so zu nennen«, sagte sie eisig.
    »Oooh! ›Was fällt Ihnen ein, mich so zu nennen‹.« Der Versuch, sie nachzuäffen, war erbärmlich, und außer Cruikshank lachte niemand. »Ich mag Mädels, die Mumm haben.«
    »Pass auf, sonst zerquetsch ich dir mit meinem Mumm die Eier.«
    Cruikshank schien seinen Ohren nicht zu trauen. Nach einem Moment der Verblüffung warf er johlend den Kopf in den Nacken.
    »Hast du so was schon mal gehört, Malky?«
    »Lass es gut sein, Donny«, sagte der Wirt in warnendem Ton.
    »Und wenn nicht? Zeigst du mir dann mal wieder die rote Karte?« Er sah sich um. »Tja, der Laden wird mir fehlen«, Sein Blick verharrte auf Siobhan. »Denn das Angebot an Schnepfen ist gerade eben deutlich besser geworden…«
    Der Aufenthalt hinter Gittern hatte ihm körperlich zugesetzt, aber er hatte auch davon profitiert, besaß eine neue Art von Großspurigkeit, kombiniert mit Unverfrorenheit.
    Siobhan wusste, dass sie zuschlagen würde, wenn sie bliebe. Aber sie wusste auch, dass die körperlichen Schmerzen, die sie ihm zufügen würde, ihm nichts ausmachten. Und das hieße, dass er triumphieren würde, weil sie die Kontrolle verloren hatte. Also verließ sie stattdessen den Pub und versuchte, die Worte zu ignorieren, die er ihr nachrief.
    »Guck dir mal diesen Arsch an, Malky. Komm zurück Süße, ich hab hier einen Hauptgewinn für dich!«
    Draußen angekommen hastete Siobhan zu ihrem Auto. Ihr Herz raste. Sie nahm hinter dem Steuer Platz und versuchte, ihren Atem unter Kontrolle zu bringen.
Arschloch,
dachte sie.
Arschloch, Arschloch, Arschloch
… Sie starrte auf das Handschuhfach. Sie würde ein andermal wiederkommen, um die Fotos zu machen. Ihr Handy klingelte. Auf dem Display stand Rebus’ Nummer. Sie atmete tief durch, denn sie wollte nicht, dass er ihrer Stimme etwas anmerkte.
    »Was ist los, John?«, fragte sie
    »Siobhan? Was ist mit
Ihnen
los?«
    »Was soll mit mir sein?«
    »Sie klingen, als wären Sie einmal um Arthur’s Seat gejoggt.«
    »Bin bloß zum Auto gerannt.« Sie blickte zum blassblauen Himmel empor. »Es regnet hier.«
    »Es regnet? Wo zum Teufel sind Sie?«
    »In Banehall.«
    »Und verraten Sie mir auch, wo das ist?«
    »In West Lothian, hinter Livingston, direkt an der Autobahn.«
    »Ja, jetzt weiß ich’s wieder – ein Pub namens The Bane, stimmt’s?«
    Gegen ihren Willen musste sie lächeln. »Ganz genau.«
    »Was machen Sie da draußen?«
    »Das ist eine lange Geschichte. Was

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