So soll er sterben
abzustammen.«
Siobhan notierte den Namen unter denen von Alfred McAteer und Alexis Cater. Nach kurzem Zögern fügte sie einen weiteren Namen hinzu – Mag Lennox – und verband ihn durch einen Pfeil mit Judith Lennox.
»Ist diese hochnotpeinliche Befragung bald zu Ende?«, nölte Curt.
»Ich glaube schon«, erwiderte Siobhan. Sie tippte mit ihrem Stift gegen die Zähne. »Was wird mit Mags Skelett geschehen?«
Der Pathologe zuckte die Achseln. »Sie ist gewissermaßen heimgekehrt, nicht? Vielleicht stellen wir sie wieder in der alten Vitrine auf.«
»Weiß Gates schon Bescheid?«
»Ich hab ihm vorhin eine E-Mail geschickt.«
»Eine E-Mail? Sein Büro ist zwanzig Meter entfernt.«
»Ich wollte es so.« Curt machte Anstalten, sich zu erheben.
»Sie haben Angst vor ihm, stimmt’s?«, neckte Siobhan ihn.
Curt ignorierte diese Bemerkung. Er hielt Siobhan die Tür auf und verbeugte sich leicht.
Ihr Heimweg führte sie über die George IV Bridge. An der Ampel bog sie rechts ab, denn sie hatte sich für einen kleinen Abstecher in die High Street entschieden. Vor der St. Giles Cathedral warben Klappschilder für die Gespenstertouren dieses Abends. Sie würden erst in ein paar Stunden beginnen; einige Touristen studierten die verschiedenen Angebote. Weiter die Straße entlang, vor der Tron Kirk, gab es weitere Schilder, weitere Verlockungen, »Edinburghs schaurige Vergangenheit« kennen zu lernen. Siobhan interessierte sich allerdings mehr für die schaurige Gegenwart. Sie warf einen Blick in die Fleshmarket Close; kein Mensch zu sehen. Aber für die Veranstalter der Touren wäre es ein Vergnügen, die Gasse zu ihrer Route hinzuzufügen. In der Broughton Street betrat sie einen Lebensmittelladen und kam mit einer gefüllten Einkaufstüte und der Abendausgabe der Zeitung wieder heraus. Ihre Wohnung befand sich ganz in der Nähe; die Anwohnerparkplätze waren alle besetzt, weshalb sie ihren Peugeot im Parkverbot abstellte, darauf vertrauend, dass sie am nächsten Morgen vor Arbeitsbeginn der Politessen weg sein würde.
Ihre Wohnung lag in einem vierstöckigen Haus. Mit ihren Nachbarn hatte sie Glück: keine lauten Partys bis spät in die Nacht und kein einziger Möchtegernschlagzeuger. Einige der anderen Bewohner kannte sie vom Sehen, aber keinen mit Namen. In Edinburgh wurde nicht erwartet, dass man seine Nachbarn mehr als nur flüchtig kannte, es sei denn, es gab ein Problem, um das man sich gemeinsam kümmern musste, beispielsweise ein Loch im Dach oder eine kaputte Regenrinne. Sie dachte an Knoxland mit seinen hauchdünnen Wänden, durch die jeder hörte, was der andere tat. Jemand in ihrem Haus besaß eine Katze. Das war das Einzige, was sie störte. Es roch im Treppenhaus nach Katzenpisse. Aber sobald sie ihre Wohnungstür hinter sich geschlossen hatte, löste sich die Welt draußen in Wohlgefallen auf.
Sie stellte die Eiscreme ins Eisfach, die Milch in den Kühlschrank, packte das Fertiggericht aus und schob es in die Mikrowelle. Es war fettarm, als prophylaktische Sühne für das unbezwingbare Verlangen nach Minzeis mit Schokostückchen, das sie später womöglich überkommen würde. Auf dem Abtropfbrett stand eine Flasche Wein, die Siobhan knapp zur Hälfte geleert hatte. Sie schenkte sich ein Glas ein, nahm einen kleinen Schluck und kam zu dem Schluss, dass keine Vergiftungsgefahr bestand. Da ihr Essen noch nicht warm war, nahm sie die Zeitung zur Hand. Sie kochte fast nie, zumindest nicht, wenn sie allein war. Als sie am Tisch saß, stellte sie fest, dass die paar Pfunde, die sie in letzter Zeit zugenommen hatte, sie zwangen, die Hose aufzumachen. Desgleichen die Bluse, die unter den Armen spannte. Sie stand auf und kehrte einige Minuten später in Morgengrock und Pantoffeln zurück. Als das Essen fertig war, trug sie es zusammen mit dem Glas und der Zeitung auf einem Tablett ins Wohnzimmer.
Judith Lennox hatte es auf eine der Seiten im Mittelteil geschafft. Ein Foto zeigte sie am einen Ende der Fleshmarket Close, wahrscheinlich erst vor wenigen Stunden aufgenommen. Es war eine Porträtaufnahme, auf der man ihr üppiges, dunkel gelocktes Haar und einen hellen Schal sah. Siobhan wusste nicht, was für einen Eindruck die Frau hatte machen wollen, aber Mund und Augen drückten nur eins aus: Selbstzufriedenheit. Sie genoss die Aufmerksamkeit des Fotografen und wäre sicher bereit gewesen, jede gewünschte Pose einzunehmen. Daneben war ein weiteres inszeniertes Foto abgedruckt – von Ray Mangold, der vor
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