Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

So soll er sterben

Titel: So soll er sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
Vom Netzwerk:
Er deutete auf das Sofa, um die Erlaubnis zu erhalten, sich zu setzen. Der Vater nickte, und Rebus nahm Platz. Dann stand er wieder auf, um sich die Fotos auf dem Kaminsims anzusehen. Drei oder vier Generationen einer Familie. Rebus drehte sich um und nickte dem Vater lächelnd zu. Die Gesichtszüge des Mannes wurden etwas weicher. Außer den Fotos gab es kaum etwas in dem Zimmer, das Rebus’ Interesse weckte: kein Nippes, keine Bücher, kein Fernseher, keine Stereoanlage. Neben dem Sessel des Vaters stand ein Kofferradio auf dem Boden. Es war über und über mit Klebefolie umwickelt, vermutlich, damit es nicht auseinander fiel. Rebus entdeckte nirgendwo einen Aschenbecher, deshalb ließ er seine Zigaretten in der Tasche. Kurz darauf kam der Junge mit einer Tasse aus der Küche und überreichte sie Rebus. Milch bot er ihm keine an. Die Flüssigkeit war tiefschwarz, und nachdem Rebus den ersten Schluck getrunken hatte, durchfuhr ihn ein Energiestoß, von dem er nicht wusste, ob er vom Koffein oder vom Zucker stammte. Er nickte seinen Gastgebern zu, um zu signalisieren, dass der Mokka ihm schmeckte. Sie starrten ihn an, als sei er ein Ausstellungsstück im Museum. Er wollte gerade nach dem Namen des Jungen und der Familiengeschichte der beiden fragen, als sein Handy klingelte. Er murmelte ein paar entschuldigende Worte und nahm das Gespräch entgegen.
    Es war Siobhan.
    »Irgendwas Weltbewegendes passiert?«, fragte sie. Sie hatte nicht erwartet, sofort von den Ärzten empfangen zu werden, aber damit gerechnet, dass man sie in ein Büro oder Vorzimmer führen würde. Stattdessen saß sie nun inmitten von Patienten der Ambulanz, Besuchern und lärmenden Kleinkindern in einem Wartezimmer. Hin und wieder erschien jemand vom Krankenhauspersonal, um sich, ohne die Anwesenden auch nur eines Blickes zu würdigen, etwas zu essen aus einem der zwei Automaten zu holen. Der eine bot eine begrenzte Auswahl an Sandwiches an – dünne dreieckige Weißbrotscheiben, belegt mit verschiedenen Kombinationen aus Salatblättern, Tomatenscheiben, Thunfisch, Schinken und Käse –, der andere, beliebtere, Chips und Schokolade. Es gab auch einen Getränkeautomaten, an dem aber ein Schild mit der Aufschrift »Defekt« hing.
    Nachdem sich das Interesse an den Automaten erschöpft hatte, war Siobhan dazu übergangen, sich den Presseerzeugnissen auf dem Tisch zu widmen – uralte Frauenzeitschriften, deren Seiten entweder lose oder irgendeines Fotos oder Preisausschreibens wegen herausgerissen waren. Die ebenfalls ausliegenden Comichefte für die Kinder wollte sie sich für später aufsparen. Also zückte sie ihr Handy und löschte ungebetene Kurznachrichten und die Anruflisten. Dann schickte sie ein paar Freunden eine SMS. Und als ihr schließlich gar nichts mehr einfiel, rief sie Rebus an.
    »Kann nicht klagen«, sagte er lediglich. »Was treiben Sie gerade?«
    »Lungere in der Royal Infirmary herum. Und Sie?«
    »Lungere in Leith herum.«
    »Man könnte den Eindruck gewinnen, dass es Ihnen am Gayfield Square nicht gefällt.«
    »Aber wir wissen beide, dass dieser Eindruck falsch wäre, stimmt’s?«
    Sie lächelte. Ein kleiner Junge war hereingekommen. Er stellte sich auf die Zehenspitzen, um Münzen in den Schoko-Automaten zu stecken, konnte sich dann aber nicht entscheiden. Fasziniert drückte er Nase und Hände an die Glasscheibe.
    »Treffen wir uns, wie abgemacht, nachher?«, fragte Siobhan.
    »Wenn nicht, melde ich mich.«
    »Hoffen Sie etwa auf eine Verabredung mit jemand Interessanterem?«
    »Man kann nie wissen. Haben Sie heute schon einen Blick auf Hollys Schmierblatt geworfen?«
    »Ich lese nur seriöse Zeitungen. Hat er das Foto abgedruckt?«
    »Ja, hat er… und es als Aufhänger benutzt, um Stimmung gegen Asylbewerber zu machen.«
    »Oh, verdammt.«
    »Wenn in den nächsten Tagen noch einer von diesen armen Leuten im Kühlhaus landet, wissen wir, wer Schuld hat.«
    Die Tür des Wartezimmers ging wieder auf. Es war die Frau vom Empfangsschalter. Sie gab Siobhan ein Zeichen, ihr zu folgen.
    »Wir müssen unser Gespräch später fortsetzen, John.«
    »
Sie
haben
mich
angerufen, schon vergessen?«
    »Tut mir Leid, aber anscheinend hat man hier endlich Zeit für mich.«
    »Und darum haben Sie keine mehr für mich? Besten Dank, Siobhan.«
    »Dann bis heute Nachmittag…«
    Rebus hatte bereits aufgelegt. Siobhan folgte der Frau vom Empfang zwei Korridore entlang. Schließlich deutete sie auf eine Tür. Siobhan nickte dankend und ging in

Weitere Kostenlose Bücher