So soll er sterben
der Arme und riss ihn nach hinten. Der Junge wirbelte herum, und seine Hände kamen zum Vorschein. Etwas fiel zu Boden: ein mittelgroßer Stein. Der Junge schrie vor Schmerz auf, als Rebus ihm den Arm auf dem Rücken nach oben drückte und ihn dadurch auf die Knie zwang. Die Menge drehte sich des Lärms wegen um, und die Fotografen traten wieder in Aktion. Doch Rebus’ Blick war auf die Jugendgang gerichtet, um festzustellen, ob mit einem Angriff von ihnen zu rechnen war. Das schien jedoch nicht der Fall zu sein, denn sie verzogen sich, hatten offenbar nicht die Absicht, ihrem Kameraden zu helfen. Ein Mann stieg in einen verbeulten roten BMW ein. Ein Mann in einem Armeeparka.
Währenddessen stieß der Junge Flüche, Schmerzenslaute und Beschwerden aus. Rebus nahm wahr, dass zwei uniformierte Constables über ihm standen und einer dem Jungen Handschellen anlegte. Als Rebus sich aufrichtete, blickte er Ellen Wylie direkt ins Gesicht.
»Was ist passiert?«, fragte sie.
»Er hatte einen Stein in der Tasche… wollte Dirwan angreifen.«
»Lüge«, rief der Jugendliche. »Abgekartete Sache!« Man hatte die Kapuze von seinem Kopf gezogen und den Schal von seinem Mund. Rebus sah einen rasierten Schädel und ein von Akne übersätes Gesicht. Ein Schneidezahn fehlte. Rebus beugte sich hinunter und hob den Stein auf.
»Noch warm«, erklärte er.
»Bringt ihn auf die Wache«, wies Wylie die Constables an. Dann zum Jungen: »Vor der Leibesvisitation die Frage: Hast du irgendwelche scharfkantigen Gegenstände dabei?«
»Mit euch rede ich nicht.«
»Ab in den Streifenwagen mit ihm.«
Der Junge wurde weggeführt, und die Kameras verfolgten ihn, während er wieder begann, sich lautstark zu beschweren. Rebus merkte, dass der Anwalt vor ihm stand.
»Sie haben mir das Leben gerettet, Sir!« Er griff nach Rebus’ Händen.
»So weit würde ich nicht gehen…«
Aber Dirwan hatte sich bereits zu der Menge umgewandt. »Sehen Sie? Sehen Sie, wie der Hass von den Alten auf die Jungen abfärbt? Es ist wie ein langsam wirkendes Gift, das die Erde zerstört, die uns ernähren sollte!« Er versuchte Rebus zu umarmen, stieß jedoch auf Widerstand. Was ihn jedoch nicht weiter zu kümmern schien. »Sie sind Polizist, oder?«
»Ja, Detective Inspector«, gab Rebus zu.
»Er heißt John Rebus!«, rief jemand. Rebus’ Blick fiel auf das ironisch lächelnde Gesicht von Steve Holly.
»Mr. Rebus, ich stehe in Ihrer Schuld, bis wir beide diese Welt verlassen. Wir
alle
stehen in Ihrer Schuld.« Damit meinte Dirwan die Ausländer, die in der Nähe in einer Gruppe zusammenstanden und offensichtlich keine Ahnung hatten, was los war. Shug Davidson tauchte auf, verblüfft über den Trubel, im Schlepptau den grinsenden Rat-Arse Reynolds.
»Immer müssen Sie im Mittelpunkt stehen, John«, sagte Reynolds.
»Was ist hier vorgefallen?«, wollte Davidson wissen.
»Ein Junge wollte Mr. Dirwan mit einem Stein attackieren«, murmelte Rebus. »Ich hab ihn aufgehalten.« Er zuckte die Achseln, so als wollte er andeuten, dass er es lieber nicht getan hätte. Einer der beiden Constables, die den Jungen mitgenommen hatten, kehrte zurück.
»Das hier sollten Sie sich anschauen, Sir«, sagte er zu Davidson. Er hielt einen Plastikbeutel für Beweisstücke hoch. Es befand sich etwas Schmales, Eckiges darin.
Ein fünfzehn Zentimeter langes Küchenmesser.
Rebus durfte den Babysitter für seinen neuen besten Freund spielen.
Sie befanden sich im CID-Büro am Torphichen Place. Der Jugendliche wurde in einem der Vernehmungsräume von Shug Davidson und Ellen Wylie verhört. Das Messer war per Express ins kriminaltechnische Labor in Howdenhall gesandt worden. Rebus mühte sich damit ab, eine SMS an Siobhan zu schicken, um sie wissen zu lassen, dass sie ihr Treffen verschieben mussten. Er schlug achtzehn Uhr vor.
Mohammad Dirwan, der seine Aussage bereits gemacht hatte, saß an einem der Tische und trank, den Blick auf Rebus gerichtet, stark gesüßten schwarzen Tee.
»Ich habe Riesenprobleme mit diesem neumodischen Zeugs«, stellte er fest.
»Ich auch«, gab Rebus zu.
»Und dennoch ist es inzwischen unverzichtbar für das heutige Leben geworden.«
»Stimmt.«
»Sie sind ziemlich wortkarg, Inspector. Oder mache ich Sie etwa nervös?«
»Ich bin nur gerade dabei, eine Verabredung zu ändern, Mr. Dirwan.«
»Bitte…« Der Anwalt hob eine Hand. »Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollen mich Mo nennen.« Er lächelte und entblößte dabei seine makellosen
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