So soll er sterben
antwortete er. »Berufsrisiko.«
Siobhan blickte zum Barkeeper hinüber. Er schüttete Eis von einem Eimer in einen anderen und grüßte sie mit einem Nicken. Es roch nach Desinfektionsmittel und Holzpolitur. In einem Aschenbecher auf der Theke qualmte eine Zigarette, daneben ein Becher Kaffee und Papierkram – die Morgenpost, wie es schien.
»Sie sind ja noch mal davongekommen, wie es aussieht.«
Der Barkeeper zuckte mit den Achseln. »War nicht in meiner Schicht.«
Siobhan bemerkte zwei weitere Kaffeebecher auf einem Ecktisch und eine Frau, die einen davon in beiden Händen hielt. Vor ihr lag ein kleiner Stapel Bücher. Siobhan konnte ein paar Titel erkennen:
Gespenster in Edinburgh
und
Die Stadt über- und unterirdisch
.
»Machen Sie es kurz, bitte. Ich stecke bis über beide Ohren in Arbeit.« Er schien es trotzdem nicht eilig zu haben, seinen Gast vorzustellen, doch Siobhan lächelte der Frau zu, die das Lächeln erwiderte. Sie war in den Vierzigern, das krause dunkle Haar mit einem schwarzen Samtband zusammengebunden. Ihren Afghanenmantel hatte sie anbehalten. Darunter schauten nackte Fußknöchel und Ledersandalen hervor. Mangold stand breitbeinig und mit verschränkten Armen mitten im Raum.
»Sie wollten Ihre Unterlagen durchsehen«, erinnerte ihn Siobhan.
»Welche Unterlagen?«
»Über den neuen Fußboden im Keller.«
»Der Tag hat einfach zu wenig Stunden«, jammerte Mangold.
»Dennoch, Sir…«
»Zwei unechte Skelette. Wozu die ganze Aufregung?« Flehend breitete er die Arme aus.
Die Frau gesellte sich zu ihnen. »Sie interessieren sich für die Begräbnisstätte?«, fragte sie mit leiser, zischender Stimme.
»Richtig«, antwortete Siobhan. »Ich bin Detective Sergeant Clarke, und Sie sind Judith Lennox.« Lennox sah sie mit großen Augen an. »Ich habe Ihr Foto in der Zeitung gesehen«, erklärte Siobhan.
Lennox nahm Siobhans Hand, es war mehr ein Festhalten als ein Händeschütteln. »Sie sind so voller Energie, Miss Clarke. Das ist reinste Elektrizität.«
»Und Sie erteilen Mr. Mangold gerade Nachhilfeunterricht in Geschichte.«
»Stimmt genau!« Ihre Augen weiteten sich erneut.
»Die Titel auf den Buchrücken«, erklärte Siobhan und deutete mit dem Kopf in Richtung Tisch. »War nicht schwer zu erraten.«
Lennox sah zu Mangold. »Ich helfe Ray bei den Entwürfen für seine neue Themenbar… sehr spannend.«
»Der Keller?«, vermutete Siobhan.
»Er wollte ein wenig historisches Hintergrundwissen.«
Mangold ließ ein Hüsteln vernehmen. »Ich glaube, Detective Sergeant Clarke hat Wichtigeres zu tun mit ihrer Zeit…« Ein dezenter Hinweis darauf, dass auch er ein viel beschäftigter Mann war. Und an Siobhan gewandt: »Ich habe mal flüchtig nachgeschaut, ob ich irgendetwas finde, aber Fehlanzeige. Wahrscheinlich wurden die Arbeiten bar auf die Hand bezahlt. Es gibt jede Menge Leute, die einen neuen Fußboden legen, ohne Fragen zu stellen und ohne was Schriftliches…«
»Ohne was Schriftliches?«, wiederholte Siobhan.
»Sie waren hier, als die Skelette gefunden wurden?«, fragte Judith Lennox.
Siobhan bemühte sich, die Frau zu ignorieren, und hielt den Blick auf Mangold gerichtet. »Sie wollen mir also erzählen…«
»Es war Mag Lennox, stimmt’s? Sie haben Mags Skelett gefunden.«
Siobhan starrte die Frau an. »Wie kommen Sie darauf?«
Judith Lennox schloss die Augen. »Ich hatte eine Vorahnung. Ich wollte Touren durch die medizinische Fakultät organisieren… aber sie haben mich nicht gelassen. Ich durfte das Skelett nicht einmal sehen…« Ihre Augen funkelten fanatisch. »Ich bin eine Nachfahrin von Mag.«
»Ach ja?«
»Sie hat dieses Land mit einem Fluch belegt und jeden, der ihr Schaden zufügt oder seinen Spott mit ihr treibt.« Lennox nickte wie zur Selbstbestätigung.
Siobhan dachte an Cater und McAteer; es sah nicht gerade so aus, als lastete ein Fluch auf ihnen. Sie war drauf und dran, diesen Gedanken in Worte zu fassen, als sie sich an das Versprechen erinnerte, das sie Curt gegeben hatte.
»Ich weiß nur, dass die Skelette nicht echt waren«, betonte Siobhan.
»Sag ich doch die ganze Zeit«, schaltete Mangold sich ein. »Warum um alles in der Welt machen Sie dann so einen Zirkus deswegen?«
»Ich hätte gern eine Erklärung«, entgegnete Siobhan ruhig. Sie dachte an die Szene im Keller zurück, wie sich ihr ganzer Körper verkrampft hatte beim Anblick des Kindes… wie sie vorsichtig ihre Jacke über die Gebeine gebreitet hatte.
»Auch in Holyrood sind
Weitere Kostenlose Bücher