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So soll er sterben

Titel: So soll er sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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Eine Tür führte von der Küche in den hinteren Garten. Die Treppe zum oberen Stockwerk war steil. Hier gab es vier Türen, alle offen. Eine gehörte zu einem Einbauschrank, in dem Kartons aufbewahrt wurden, Oberbetten und Decken. Durch eine andere sah sie in ein blassrosa Badezimmer. Also zwei Schlafzimmer: eines mit einem schmalen Bett, unbenutzt. Blieb noch das größere, das nach vorn hinausging. In diesem Zimmer herrschte Betriebsamkeit: Beamte der Spurensicherung, Fotografen, ein Arzt im Gespräch mit einem Detective. Der Detective bemerkte sie.
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    »DS Clarke«, sagte sie und hielt ihm ihren Dienstausweis hin. Sie hatte noch immer keinen Blick auf die Leiche geworfen, aber sie war da, kein Zweifel. Der keksfarbene Teppich voller Blut. Das Gesicht verzerrt, der Mund aufgerissen, als hätte er einen letzten Atemzug Leben einsaugen wollen. Der kahl rasierte Kopf blutverkrustet. Die Männer von der Spurensicherung führten Detektoren über die Wände, um nach Spritzern zu suchen, die vielleicht Hinweise auf die Heftigkeit und die Art des Angriffs liefern würden.
    Der Detective gab ihr den Ausweis zurück. »Sie sind weit weg von zu Hause, DS Clarke. Ich bin DI Young, ich leite die Ermittlungen in diesem Fall, und ich erinnere mich nicht, Hilfe aus der großen Stadt angefordert zu haben.«
    Sie versuchte es mit einem gewinnenden Lächeln. DI Young machte seinem Namen alle Ehre: Er war jung, jünger als sie zumindest, und trotzdem ranghöher. Ein kräftiges Gesicht über einem noch kräftigeren Körper. Wahrscheinlich spielte er Rugby, stammte womöglich aus einer Bauernfamilie. Er hatte rotes Haar und helle Wimpern sowie ein paar geplatzte Adern zu beiden Seiten der Nase. Hätte man ihr gesagt, dass er erst kürzlich die Schule absolviert habe, hätte sie es vermutlich geglaubt.
    »Ich dachte nur…« Sie zögerte und suchte nach den richtigen Worten. Sie sah sich um und bemerkte die Fotos an den Wänden – Softpornos, Blondinen mit offenem Mund und gespreizten Beinen.
    »Was dachten Sie, DS Clarke?«
    »Dass ich Ihnen vielleicht helfen kann.«
    »Nun, das ist wirklich ein sehr netter Gedanke, aber ich glaube, wir kommen auch allein zurecht, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
    »Aber es ist so…« Und nun starrte sie auf die Leiche hinunter. Ihr Magen fühlte sich an, als wäre er durch einen Sandsack ersetzt worden, doch ihr Gesicht zeigte nur rein berufliches Interesse. »Ich kenne ihn. Ich weiß einiges über ihn.«
    »Nun, auch wir wissen, wer er ist, aber trotzdem vielen Dank…«
    Natürlich wussten sie, wer er war. Bei seinem Ruf und seinem vernarbten Gesicht. Donny Cruikshank, leblos auf dem Fußboden seines Schlafzimmers.
    »Aber ich weiß etwas, das Sie nicht wissen«, beharrte sie.
    Young sah sie durchdringend an, und da wusste sie, dass sie es geschafft hatte.
    »Hier gibt es noch haufenweise Pornos«, sagte einer von der Spusi. Er meinte das Wohnzimmer. Auf dem Boden neben dem Fernseher stapelten sich DVDs und Videos. Es gab auch einen Computer, vor dem ein weiterer Beamter saß und mit der Maus hantierte. Er hatte noch einige Disketten und CD-Roms durchzusehen.
    »Und nicht vergessen: Wir sind hier bei der Arbeit«, mahnte DI Young. Auch im Wohnzimmer war ihm noch zu viel los, also führte er Siobhan in die Küche.
    »Ich heiße übrigens Les«, sagte er, deutlich milder gestimmt, seit sie ihm etwas zu bieten hatte.
    »Siobhan«, antwortete sie.
    »Also…« Er lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Arbeitsplatte. »Wie haben Sie Donny Cruikshank kennen gelernt?«
    »Er ist wegen Vergewaltigung verurteilt worden – ich habe damals an dem Fall gearbeitet. Sein Opfer hat Selbstmord begangen. Sie hat ganz in der Nähe gewohnt. Die Eltern leben immer noch hier. Sie sind vor ein paar Tagen zu mir gekommen, weil ihre zweite Tochter verschwunden ist.«
    »Ach!«
    »Sie haben mir erzählt, sie hätten sich vorher an die Polizei in Livingston gewandt…« Siobhan bemühte sich, nicht vorwurfsvoll zu klingen.
    »Gibt es irgendeinen Grund zu der Annahme, dass…?«
    »Was?«
    Young zuckte mit den Schultern. »Dass das was mit dem… ich meine, dass da ein Zusammenhang besteht?«
    »Das hatte ich mich auch gefragt. Deshalb bin ich hergekommen.«
    »Wenn Sie darüber vielleicht einen Bericht schreiben könnten…?«
    Siobhan nickte. »Mach ich noch heute.«
    »Danke.« Young stieß sich von der Arbeitsplatte ab und wollte wieder nach oben gehen. In der Tür blieb er stehen.

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