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So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

Titel: So sollst du schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clara Salaman
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»Schäm dich, Caroline Stern!«
    Ah! Das hatte ich ganz vergessen. Ich hatte vergessen, dass er das zu mir gesagt hatte. Mit diesen Worten könnte er mich zurückreißen, selbst wenn ich an der Schwelle des Todes stünde. Ich musste lachen. Dann beugte ich mich unwillkürlich vor und küsste ihn auf den Mund. Es war mir egal, ob uns jemand dabei beobachtete.
    Er erwiderte meinen Kuss voller Hingabe. Er wusste, dass ich ihn ebenfalls wollte.
    Er nahm mich bei den Händen und zog mich hoch.
    Wir gingen in ein kleines, völlig überteuertes Hotel gegenüber dem Hyde Park. Er führte mich von der Rezeption durch die Lobby in den Aufzug, wo wir uns wie zwei hungrige Wölfe über die Köpfe von zwei dicken Arabern hinweg anstarrten. Mit dem Schlüssel in der Hand ging er vor mir her den Korridor entlang, ohne mich loszulassen, wobei er die Zimmernummern von den Türen mit den Ziffern auf dem Schlüssel verglich wie Arnie im Blutrausch. Schließlich fand er unser Zimmer, schloss auf und ließ mich eintreten. Wir schafften es kaum bis zum Bett.
    Nach einer Weile schliefen wir ein zweites Mal miteinander, diesmal zärtlich und liebevoll, als hätten wir alle Zeit der Welt. Danach lagen wir eng umschlungen zwischen den Laken, ich auf ihm, während ich sein Gesicht mit zahllosen zarten Küssen bedeckte, jede einzelne Pore. Er lag mit geschlossenen Augen auf dem Rücken und genoss meine Liebkosungen.
    Draußen färbte sich der Londoner Himmel allmählich rosa.
    »Ich könnte dich niemals lieben, weißt du das«, sagte ich, während ich einen weiteren Kuss auf seine Schläfe hauchte und seinen süßen Duft in meine Lungen sog.
    »Nein«, erwiderte er, ohne sich zu regen. »Das wusste ich nicht. Wieso nicht?«
    »Weil du schwach bist.« Meine Lippen strichen über seinen Haaransatz.
    »Wirklich?«
    »Du bist immer noch dabei.«
    »Oh, die Organisation. Darum geht es also.« Er neigte leicht den Kopf, als wolle er mir bedeuten, dass ich eine winzige Stelle übersehen hatte. »Weil ich wegen des Vorfalls mit dem Sikh nichts gesagt habe?«
    »Unter anderem.« Ich küsste dieselbe Stelle ein zweites Mal, für den Fall, dass ich sie tatsächlich übersehen haben sollte.
    »Junge, Junge, du bist ja ganz schön nachtragend«, meinte er verträumt.
    »Allerdings«, bestätigte ich und ließ meine Lippen zu seinem Wangenknochen wandern. »Du bist keinen Deut besser als sie.« Ich küsste die Kuhle zwischen Wangenknochen und Kiefer. »Du hattest Schiss und hast dich wie ein willenloses Schaf verhalten. Du glaubst ungefragt alles, was man dir erzählt.«
    In dem Bestreben, jeden Zentimeter von ihm mit Küssen zu bedecken, wanderten meine Lippen zwischen den einzelnen Sätzen immer weiter. »Du bist wie eine Marionette. Und sie haben die Fäden in der Hand. Wenn sie sagen ›tanz‹, dann tanzt du. Du stellst nichts infrage. Und weißt du, was das Allerschlimmste ist?«
    »Nein«, antwortete er und hob für den Bruchteil eines Zentimeters das Kinn, so dass ich seinen Hals küssen konnte. »Was ist das Allerschlimmste?«
    »Dass du auch deine Kinder dorthin schickst.«
    »Okay!« Widerstrebend schlug er die Augen auf und sah mich an. Dann rückte er das Kissen zurecht, sodass sich unsere Gesichter auf einer Höhe befanden. Ich legte mein Kinn auf seine Brust.
    »Okay, ein Vorwurf nach dem anderen, bitte! Ich hätte damals etwas sagen müssen. Das sehe ich heute ein, aber hätte es einen Unterschied gemacht?«
    »Vielleicht«, erwiderte ich und zwirbelte die Haare auf seiner Brust.
    »Aua! Caroline, ich hatte doch keine Ahnung, was zwischen dir und ihr vorging. Das tue ich noch nicht einmal heute, denn du zeigst zwar allzu gern mit dem Finger auf andere, lässt aber selbst nichts heraus! In deiner Gegenwart dürfen wir ja nicht einmal ihren Namen erwähnen! Und was passiert? Wir tun es nicht! Wann immer ich auf deine Eltern zu sprechen komme, strafst du mich mit Schweigen. Oder wenn ich frage, was mit dir nach deinem Weggang passiert ist. Weißt du was, Caroline, Schatz? Ich glaube, du bist besessener von der Organisation als alle, die dabei sind.«
    Ich glitt von ihm herunter und stützte mich auf den Ellbogen ab. »Nur zu deiner Information, Caveman, ich halte euch alle – dich, Megan, meine Mutter, euch alle, die ihr immer noch dazugehört – für Verräter an uns anderen, an all den ehemaligen Schülern, deren Leben zerstört wurde.«
    »Zu Punkt zwei«, fuhr er fort, ohne auf meinen Einwand einzugehen. »Ja, ich schicke meine Kinder auf

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