So still die Nacht
Verkaufsraum. Gehilfinnen und Verkäuferinnen huschten umher. Binnen Momenten erschien die Besitzerin mit Maßbändern um den Hals aus den hinteren Räumen. Sie führte sie hinter einen Wandschirm, außer Sichtweite neugieriger Augen, wo auf zwei Tischen alles lag, was eine junge Frau während der Trauerzeit an Kleidung brauchen würde. Auf einem anderen Tisch lagen Handtaschen und Schals, Handschuhe und Schleier, und auf einem weiteren Rollen verschiedener Seidenstoffe und noch mehr Bordüren.
»Kommen Sie, Cousine Mina.« Astrid umklammerte ihre Hand und zog sie näher heran. »Beraten Sie mich, wie man mitten in der Trauerzeit liebreizend aussieht. Meine Debütsaison mag ruiniert sein, aber wer will sagen, dass der Sommer nicht mit einem Antrag enden kann? Schließlich hat Schwarz Ihnen offensichtlich Erfolg gebracht.«
»Bestell einige Dinge.« Mark war hinter sie getreten. Sie kostete das tiefe Timbre seiner Stimme aus. »Einige Kleider. Etwas Schönes für Ascot.« Er deutete mit den Fingern auf den Tisch. »Mir gefällt das da, der Ballen schwarzer Seide mit dem purpurnen Schimmer.«
Die Inhaberin lächelte. »Eine hervorragende Wahl. Unsere feinste Paduaseide.«
Mit Spürsinn hob sie den Ballen hoch und entfaltete die Seide, damit Mina sie begutachten konnte. Im nächsten Moment präsentierte sie ein in Leder gebundenes Buch mit Modezeichnungen, während eine Gehilfin den Mädchen ein ähnliches Buch hinhielt. Mit Mark, der über ihre Schultern hinweg grunzte und auf die Bilder deutete, wählte Mina drei Kleider aus.
»Ich muss Maß nehmen.«
»Ich werde hier warten.« Seine finstere Miene machte klar, dass Mark es hasste, überhaupt in dem Laden zu sein. Aber er ließ sich wie eine ungeduldige Bulldogge in einem Sessel nieder.
Im Ankleidezimmer erlaubte Mina einer Verkäuferin, ihr aus ihrem Kleid zu helfen.
»Es wird nur einen Moment dauern, Mylady«, sagte das Mädchen und hängte ihr Kleid und ihren Schal auf einen Haken.
»Danke.«
Mina stand in ihren Unterkleidern da. Da sie nichts anderes mit ihrer Zeit anzufangen wusste, betrachtete sie sich im Spiegel. Was sah er in ihr? Sie berührte ihr Haar.
Sein Duft füllte ihre Nase, exotisches Gewürz und maskuline Haut. Warmer Atem streifte ihre Wange.
Sie hatte es sich eingebildet. Aber andererseits … Mark war in der Krypta unsichtbar gewesen.
Eine harte Mauer aus Wärme umarmte sie von hinten. Mina keuchte. Sie hob suchend die Hände, berührte aber nichts anderes als ihre eigene Haut.
» Mark? «, flüsterte sie.
Ja …
Seine Stimme antwortete ihr in ihrem Kopf. Leinen rutschte und zerknitterte auf ihrer Haut, während sich unsichtbare Hände und Finger über ihre Arme bewegten, über ihre Schultern. Ein warmer Mund liebkoste ihren Hals.
Sie schloss die Augen. Exquisit. Jede seiner Berührungen war exquisit.
»Mark, bitte …«, wisperte sie.
Bitte, was?
Ein drängendes Streicheln glitt über ihre Hüften … ihre Taille … ihr Korsett. Sinnlich und elektrisierend. Eine Hand schloss sich über ihrer Brust. Eine andere zerknüllte ihre Unterröcke und streichelte ihren Schenkel.
Mina schaute in den Spiegel und sah nichts – nichts außer einer erröteten jungen Frau in unordentlicher Unterwäsche und mit runden, gequetschten Brüsten.
Sie leckte sich die Lippen. Wie wunderbar. Wie erotisch. Wie hinterlistig von Mark, seine Fähigkeit hier gegen sie einzusetzen.
»Bitte, hör auf.«
Abrupt ließ er sie los. Ihre Unterröcke fielen herunter. Mina schwankte.
Die Inhaberin kam hereingerauscht.
»Mylady?« Die Frau eilte herbei, um Mina Halt zu geben. »Sind Sie krank?«
»Nein …«
»Ihre Wangen sind gerötet, und Sie wirken ganz schwach.« Sie befahl ihrer Angestellten, ein Glas Wasser zu holen.
Ah, aber sie wollte mehr. Sie verzehrte sich nach mehr.
Wenn du bereit bist, Mina. Wenn du bereit bist, komm zu mir.
Zwei Tage später ging Mina in Marks Schatten durch das Gedränge einer riesigen Menschenmenge. Der Himmel breitete sich über ihnen aus, ein endloser blauer Baldachin. Das Wetter war wunderschön – warm, ohne heiß zu sein. Sie befanden sich bereits im abgeschlossenen Bereich der königlichen Tribüne, nachdem Lord Coventry sie eingelassen hatte, der Meister der Royal Buckhounds persönlich. Die Tribüne ragte über der Menge auf, geschmückt mit Blumen und grünen Pflanzen. Zuschauer bevölkerten die Fenster und Dächer. Fahnen in allen Farben wehten im Wind.
»Meine Mutter hat mir früher von Besuchen in Ascot
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