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So still die Nacht

So still die Nacht

Titel: So still die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Lenox
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M.
    Mark. Sie drückte die Karte an die Brust und ging durch den Raum zurück zum Schlafzimmerfenster, um in den dunklen Garten hinunterzuspähen.
    Mit aller Hingabe. Er bot ihr Hingabe, selbst wenn sie ihn auf Abstand hielt.
    Etwas glitt über ihre Zehen.
    Mina blinzelte. Glitt? Sie konnte sich nichts vorstellen, was innerhalb der Wände eines Schlafzimmers herumgleiten sollte.
    Sie suchte den Teppich ab. Die dunklen Farben und Muster ineinander verschlungener Blätter und Blumen verbargen beinahe den schmalen schwarzen Schwanz, der gerade unter dem Sessel verschwand. Mina keuchte auf, ihr Puls raste. Eine Schlange. Sie hatte schon früher Schlangen gesehen – vor allem in Indien. Eine hatte sie sogar eines Nachts in ihrem Bettzeug entdeckt.
    Sie konnte Leeson um Hilfe rufen, aber gewiss würde die Schlange in der kurzen Zeit, die sie brauchte, um ihn herbeizuholen, verschwinden, und sie würde das Tier nicht wiederfinden können. Und der Gedanke, dass sich eine Schlange – möglicherweise eine Giftschlange – im Haus befand, würde sie keine Ruhe finden lassen. Wo war sie hergekommen?
    Mit klopfendem Herzen bückte sich Mina und zog ihren Schuh aus. Die Muskeln straff von Anspannung schlang sie die Finger um die Schuhspitze, um den harten, schmalen Absatz als Keule zu benutzen.
    Sie schlich sich an den Sessel heran, kniete sich hin und spähte darunter. Die Schlange, dunkel und glänzend – eine Natter, vermutete sie – glitt zum Bett hin davon. Mina sprang auf, eilte der Schlange nach und holte aus …
    »Nein, nein, neiiiin.«
    Eine Frauenstimme. Eine Hand packte ihren Unterarm und hielt ihn fest. Ein Wirbel dunkler Röcke versperrte Mina die Sicht auf ihre Beute.
    Mina wich zurück und stieß gegen das Bett. Mit großen Augen blinzelte sie.
    Hochgewachsen wie ein Mann und stolz wie eine Königin funkelte die Frau sie an. Dunkles Haar, so glänzend wie ein Nerz, fiel ihr bis zur Taille über den Rücken. Ein mit Elfenbeinnadeln gewickelter Dutt krönte ihre Frisur. Sie trug ein zimtfarbenes Gewand aus reicher, schwerer Seide und einen kirschgroßen Granat am Finger.
    »Wo kommen Sie her?«, flüsterte Mina.
    »Was hatten Sie mit Ihrem kleinen Schuh vor?« Ihre schwarzen Augen zeigten Missfallen.
    Mina ließ den Schuh schwer atmend sinken. »Nun … ich habe hier offenbar eine Schlange in meinem Boudoir. Ich wollte sie erschlagen. Wer sind Sie?«
    »Ich bin Selene. Die Gräfin Pawlenko. Und die Schlange gehört mir«, stellte sie fest.
    Mina presste sich eine Hand auf die Brust. »Das konnte ich kaum wissen.« Sie reichte der Gräfin nur bis zur Nase. »Sie sind Marks Schwester.«
    »Nun, natürlich bin ich das«, antwortete Selene spitz. Mit langen Schritten eilte sie hinter der Schlange her und hob sie auf. Sie gurrte: »Es ist alles in Ordnung, Mrs Hazelgreaves. Dieses böse kleine Mädchen wird dir nichts tun.«
    Kleines Mädchen? Das war sie in der Tat, verglichen mit dieser Amazone.
    »Mrs Hazelgreaves?«
    Eine dunkle Braue schoss in die Höhe. »Benannt nach einer Freundin.«
    »Mrs Hazelgreaves ist eine Natter « , versetzte Mina anklagend. »Nattern sind giftig. Haben Sie versucht, mich zu töten?«
    »Neiiin.« Selene steckte die Schlange in einen Samtbeutel an ihrer Taille. »Ich hatte einfach auf ein wenig Geschrei und Herumgehüpfe gehofft. Das ist alles. Ich schwöre es.« Ihre Lippen verzogen sich zu einem breiten Grinsen. »Sollte nur ein kleiner Spaß sein.«
    Mina erwiderte ihr Lächeln nicht. »Es tut mir leid, dass meine Reaktion Sie enttäuscht hat. Warum sind Sie in meinem Zimmer?«
    Das Lächeln löste sich auf. »Weil er es Ihnen immer noch nicht gesagt hat.«
    »Mir was gesagt hat?«
    »Wer er ist.«
    »Er ist Mark.« Mina straffte die Schultern. »Das ist alles, was für mich wichtig ist.«
    »Was für eine musterhafte Antwort einer Liebenden.« Selene drückte eine langfingrige, gut manikürte Hand an die Brust. »Aber Sie sind neugierig. Das weiß ich.«
    Die Schattenwächterin schlenderte zu einer Chaiselongue am Fenster hinüber. Sie setzte sich hin und lehnte sich in die Kissen. Schichten von mit Spitze eingefassten Unterröcken bauschten sich um ihre sehr femininen Knöchel und die polierten schwarzen Schuhe. Der schwere Stoff raschelte bei jeder ihrer Bewegungen.
    »Marks wahrer Name ist …«
    »Nein, sagen Sie es mir nicht …«
    »Alexander Helios.«
    Mina verschränkte die Arme vor der Brust und atmete aus. »Ich denke, es wäre das Beste, wenn Sie jetzt bitte gehen

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