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So still die Toten

So still die Toten

Titel: So still die Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Burton
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Sohn.«
    Angie umklammerte den Hörer so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. »Was?«
    »Ich bin Blues Sohn. Evas Halbbruder.«
    Angie war perplex. »Warum kommen Sie jetzt hierher?«
    »Ich habe endlich den Mut aufgebracht, mit Ihnen zu reden.«
    Vor einigen Tagen hatten sie zum ersten Mal miteinander gesprochen, aber er hatte bis jetzt gewartet – bis sie allein war. »Ich glaube Ihnen nicht. Seit wann stellen Sie Eva und mir schon nach?«
    »Ich stelle Ihnen nicht nach. Als Sie nicht ins Fitnessstudio gekommen sind, habe ich mir gedacht, dass Sie hier sind. Ich hatte gehofft, wir könnten heute Morgen im Studio reden.«
    Alle Nerven ihres Körpers waren zum Zerreißen gespannt. »Wo ist Ihr Vater?«
    »Bitte, ich werde Ihnen alles erzählen. Aber entspannen Sie sich.«
    »Mich entspannen! Haben Sie in letzter Zeit die Zeitung gelesen?«
    »Ja.«
    »Wo ist Ihr Vater?«
    Martin strich mit den Händen über seine abgewetzte Jeans. »Tot. Er ist vor zwei Jahren gestorben.«
    »Und das soll ich glauben?«
    »Ja.«
    Angie befeuchtete sich die Lippen. »Warum haben Sie nicht einfach auf normalem Weg mit mir Kontakt aufgenommen? Warum sind Sie jetzt hier?«
    »Ich hatte Angst. Ich will Eva kennenlernen. Sie ist meine Schwester. Und ich möchte, dass Sie mir helfen.«
    Angies Schutzinstinkt meldete sich. »Es gibt bessere Möglichkeiten, Martin. Sie haben das sehr schlecht eingefädelt.«
    Drückende Stille breitete sich aus, und einen Moment lang dachte sie, er würde gehen. »Ich bin nicht so gut mit Worten und konventionellem Verhalten.«
    »Was Sie nicht sagen. Kommen Sie später wieder, Martin.«
    Wieder eine Pause. »Wann?«
    »Nach acht.«
    »Okay. Ich lege Ihnen ein Buch auf die Stufen vor der Eingangstür. Es ist Blues Tagebuch. Es wird Ihnen eine Menge erklären.«
    »Kommen Sie später wieder, Martin.«
    Angie beobachtete, wie er sich zurückzog und die Tür hinter sich schloss. Sie hörte seine Schritte auf den Stufen und dann Stille. Sie hielt den Atem an und wartete eine Weile, bevor sie langsam die Luft aus ihren Lungen entweichen ließ.
    Ein paar angespannte Minuten lang wartete sie noch, dann knallte sie den Hörer auf die Gabel, ging zur Tür und öffnete sie. Keine Spur von Martin, aber wie angekündigt lag auf der obersten Stufe ein dünnes rotes Notizbuch. Sie hob es auf und blätterte es flüchtig durch. Sie würde einige Zeit brauchen, um Blues Gekrakel zu entziffern, doch ihr Blick fiel sofort auf den Namen ihres Vaters. Würde sie von Blue erfahren, was vor so langer Zeit geschehen war?
    Noch ein Mal atmete sie tief aus und versuchte, die Fassung wiederzuerlangen. Martin war fort, und doch … sie spürte etwas. Jemanden.
    Unvermittelt wandte sie sich nach rechts. Aus der Dunkelheit kam ein Mann die Treppe hochgestürmt. Sie drehte sich um, um in die Kanzlei zu flüchten, doch als sie die Tür zuschlagen wollte, schob er seinen Fuß dazwischen. Mit seinem Gewicht drückte er die Tür blitzschnell wieder auf.
    Die vertrauten Züge des Mannes waren durch das boshafte Flackern in seinen Augen fast bis zur Unkenntlichkeit verändert.
    Angie schrie. Er stürzte auf sie zu, rammte ihr eine Spritze in den Bauch und drückte den Kolben so brutal herunter, dass sie es in ihrem ganzen Körper spürte.
    »Verdammtes Miststück.«
    Augenblicklich verwandelten sich ihre kräftigen Muskeln in Pudding. In ihrem Kopf drehte sich alles, so als säße sie in einem Karussell. Sie fiel auf die Knie, und das Notizbuch entglitt ihren Fingern. Sie sank vollends zu Boden, kämpfte jedoch gegen die Bewusstlosigkeit an und blickte zu dem Mann auf.
    »Warum?«, flüsterte sie.
    »Von diesem Augenblick habe ich schon lange geträumt.«
    »Nein.«
    Er kniete sich neben sie, packte ihr Kinn und drehte ihr Gesicht so, dass sie gezwungen war, ihn durch den dichter werdenden Nebel anzusehen. »Jetzt kann der Spaß beginnen.«
    Charlotte hatte ihre übertriebene Paranoia immer als Fluch betrachtet. Sie hatte es satt, sich zu fürchten, immer alles zweimal zu überprüfen und nachts wach zu liegen. Sie war eine vernunftgesteuerte Frau, und grundlose Ängste hatten nichts mit Vernunft zu tun.
    Doch als sie merkte, dass die Eingangstür von Wellington & James nicht abgeschlossen war, schwankte sie zwischen der Angst vor einem Eindringling, Zorn auf ihre Sekretärin, die offenbar vergessen hatte, abzuschließen, und dann wiederum Angst, dass hier irgendetwas ganz und gar nicht stimmte.
    Sie wühlte in ihrer Handtasche

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