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So still die Toten

So still die Toten

Titel: So still die Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Burton
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sehen, von denen er annahm, dass sie vollkommen waren.
    Nachdem die Verwüstungen des Lebens von ihrer Gestalt abgelöst waren, hatte er im Tod tatsächlich eine Perfektion vorgefunden, die ihn mit Ehrfurcht erfüllte. Sie war ein ungeschliffener Diamant und er derjenige, der ihre wahre Schönheit enthüllte.
    Seine Gedanken schweiften zu Sierra. Äußerlich so perfekt, ein so bezauberndes, anmutiges Gesicht, lange, ausdrucksvolle Hände. Sie hatte eine schwarze Seele gehabt, aber ihn kümmerte die Seele nicht. Er dachte nur an die Knochen. An Vollkommenheit. Und an sein Schachspiel.
    Sierra passte perfekt in seine Sammlung.
    Aber ihre Entführung war ein tollkühner Akt gewesen. Sie war anders als die anderen. Ihr Verschwinden würde auffallen. Doch welchen Spaß machte das Spiel schon, wenn es ganz ohne Risiko war?
    Er strich über den Bauern. So kühl und glatt in seinen Händen.
    Es wäre vernünftig, zu warten, bis Sierras Fall in Vergessenheit geriet. Aber seit er sie getötet hatte, vibrierte er innerlich.
    Die zusätzliche Gefahr brachte eine Spannung mit sich, die das Erlebnis des Tötens noch besser machte. Und darauf wollte er nicht verzichten.
    »Du solltest warten«, flüsterte er. »Du solltest warten.«
    Doch während er mit der Hand über die Vitrine strich, wusste er, dass er nicht warten würde.
    Er hatte sogar schon das nächste Opfer ausgewählt.

9
    Mittwoch, 5. Oktober, 19:00 Uhr
    Im Hintergrund knackte der Polizeifunk, während Connor Donovan an seinem Scotch nippte und auf den leeren Computerbildschirm starrte. Der Funkscanner war der ständige Begleiter eines Kriminalreporters. Als es noch gut lief, konnte Donovan bis zum Redaktionsschluss schreiben, während er gleichzeitig dem Knistern und dem Geplapper im Hintergrund lauschte.
    Allerdings war seit Tagen, Wochen und Monaten nichts Weltbewegendes über den Funk hereingekommen. Man konnte zwar nicht behaupten, dass es keine Verbrechen gab, doch seit den Serienmorden im vergangenen Jahr war nichts davon besonders interessant für ihn gewesen.
    Aus Langeweile gab er seinen Namen in die Internetsuchmaschine ein. Der Cursor blinkte, während Connor darauf wartete, dass die Suchanfrage das Ergebnis ausspuckte. Vor einem Jahr hatte er bei einer solchen Namenssuche Dutzende von Treffern erzielt, die mit seinem Buch, dem Tatsachenbericht über den Zusammenhang zwischen dem Serienmord an drei jungen Frauen und dem Jahre zurückliegenden Mord im Wohnheim der Studentinnenverbindung, zu tun hatten. In den letzten Monaten jedoch war sein Name immer seltener aufgetaucht.
    In dem Buch hatte er die Einzelheiten einer Story aufgerollt, über die er vor über zehn Jahren zuerst berichtet hatte. Vier junge Kommilitoninnen, Angehörige einer Studentinnenverbindung, hatten den Abschluss ihres Studienjahres gefeiert. Es war der letzte Abend vor den Sommerferien, den sie im Verbindungswohnheim verbrachten. Drei der jungen Frauen waren zu einem Laden gegangen, um Wein zu holen, und die Jüngste, Eva Rayburn, war allein im Haus geblieben. Am Ende des Abends war Eva vergewaltigt und schwer misshandelt, und ihr Angreifer Josiah Cross war tot. Eva hatte die nächsten zehn Jahre im Gefängnis verbracht – wegen eines Verbrechens, das sie nicht begangen hatte.
    Niemand hatte damit gerechnet, dass bei ihrer Freilassung eine auf Rache sinnende Mörderin auf den Plan treten würde. Drei der ehemaligen Studentinnen wurden auf grausame Weise ermordet, und auch Eva wäre beinahe gestorben.
    Fast wäre Connor selbst Opfer dieser Mörderin geworden, die seinen Bauch mit einem rotglühenden vierzackigen Stern verstümmelt hatte. Bis heute konnte er den Gestank seiner versengten Haut riechen. Er hatte geheult und um sein Leben gebettelt und war zutiefst gedemütigt worden.
    Die Mörderin hatte Connor verschont, damit er der Welt die Geschichte erzählen konnte. Das Buch über die Serienmorde war der Höhepunkt seiner Karriere gewesen. Damit hatte er alles erreicht, wovon er je geträumt hatte, wenn nicht mehr. Ruhm. Geld.
    Das Buch und die Recherchen dazu hatten ihn aber auch einer Sache tief in seinem Inneren beraubt: der Fähigkeit zu schreiben. Seit der Buchveröffentlichung hatte er keine Zeile mehr zu Papier gebracht.
    Sein kurzer Ruhm war endgültig Vergangenheit. Er ließ sich auf seinem Stuhl nach hinten fallen und zuckte bei der plötzlichen Bewegung zusammen.
    Selbst nach eineinhalb Jahren taten die Narben an seinem Bauch noch weh. Die Ärzte hatten ihm gesagt, der

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