So still die Toten
Ihre Glieder würden erschlaffen, und die Wärme würde aus ihren Körpern weichen. Dann würden auch sie vollkommen werden.
Aber bis dahin hatte er diese hier. Er fuhr mit der Hand unter ihre zerrissene Bluse, drückte ihre Brust zusammen und ließ die Hand zu ihrem flachen Bauch hinuntergleiten. In ihr würde immer noch Wärme sein, um ihn willkommen zu heißen. Er lächelte.
Für die nächsten Augenblicke war sie die perfekte Frau.
19
Samstag, 8. Oktober, 8:00 Uhr
Angie hatte von Kier geträumt, auch wenn sie nicht wusste, woher die Träume auf einmal kamen. Sie waren dunkel und erotisch gewesen und hatten sie noch vor dem Morgengrauen geweckt. Es war lange her, dass sie Begehren empfunden hatte, und sie vermisste es, sehnte sich danach.
Sie hatte immer einen gesunden sexuellen Appetit gehabt. Es hatte nur wenige Männer in ihrem Leben gegeben, aber mit allen hatte sie ihren Spaß gehabt. Nach Donovan hatte sich das gründlich geändert. Seine sanften, schmeichelnden Worte hatten sie eingelullt – bis zu dem grausamen Verrat, der sie zutiefst verletzt und voller Misstrauen zurückgelassen hatte.
Jetzt, als sie die Morgenzeitung mit dem von Donovan namentlich gezeichneten Beitrag auf der ersten Seite vor sich hatte, fragte sie sich, warum sie diesem Widerling so viel Macht über sich eingeräumt hatte. Warum machte sie sich dafür klein, dass er so ein Mistkerl gewesen war? Sie hatte das Risiko noch nie gescheut, aber er hatte sie in eine ängstliche kleine Idiotin verwandelt.
Donovans Artikel war eine kunstvolle Mischung aus Fakten und Fantasie. Aus Sierra hatte er eine Heilige gemacht. Er verteilte Seitenhiebe in Richtung von Angie und den Cops, vor allem Kier und Garrison, und stellte die Frage, wieso es seit dem Leichenfund vor fünf Tagen immer noch keine heiße Spur gebe.
Fünf Tage. Kier und Garrison hatten seither fast rund um die Uhr gearbeitet. Angie kannte die Polizeiarbeit gut genug, um zu wissen, dass die Detectives während einer Mordermittlung kaum Zeit zum Duschen fanden. Und obendrein hatte Kiers Freundin mit ihm Schluss gemacht.
Vor Angies geistigem Auge blitzte Kiers Gesicht auf, wie es am vergangenen Abend ausgesehen hatte. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen gehabt, und die Erschöpfung hatte seine markanten Züge weicher erscheinen lassen. Er würde wohl kaum ihr Mitleid wollen oder erwarten. Wahrscheinlich würde er es ihr sogar übel nehmen. Aber sie hatte eine Schwäche für den Mann entwickelt.
Vielleicht kamen die Träume ja daher.
Angies Handy klingelte. Das schrille Läuten riss sie aus ihrer Zeitungslektüre. Sie warf einen Blick auf das Display. Eva.
Sie nahm ab. »Schön, dass du dein Handy gefunden hast.«
»Ja. Tut mir leid. Ich hab die verpassten Anrufe gesehen.«
Angie nahm die Tasse mit dem dampfenden Kaffee, hob sie an die Lippen und trank einen Schluck. »Es macht mich wahnsinnig, wenn du nicht rangehst.«
»Ich kann nur hoffen, dass mein einnehmendes Wesen das wieder ausgleicht.«
Angie lachte. »Du klingst heute ziemlich aufgekratzt.«
»Bin ich auch.«
»Dann nehme ich an, du hast die Probleme mit deinem Detective geklärt.«
»Habe ich.«
»Erzählst du der einsamen Anwältin ein paar schlüpfrige Details?«
Eva lachte. »Tut mir leid, nein.«
»Schade. Wieso rufst du dann an?«
»Weißt du noch, dass du gesagt hast, ich soll Garrison nichts über die Verbindung zwischen unserer Familie und der Familie Cross erzählen?«
Angie stellte die Tasse ab. »Du hast es doch getan.«
»Ja.«
Angie presste die Fingerspitzen gegen die Schläfen. »Und?«
»Er will mit dir reden. Und Kier auch.«
Ein Hauch von Röte stieg Angie ins Gesicht. »Wann?«
»In einer Stunde. Im Polizeipräsidium.«
»Das klingt bedrohlich.«
»Garrison meint, es sei nur eine Unterhaltung.«
»Was ist mit Kier?«
Eva senkte ihre Stimme ein wenig. »Ziemlich sauer.«
Angies Lachen klang nervös. »Na toll.«
»Aber du kommst?«
»Bis in einer Stunde.«
Malcolm stand vor dem Whiteboard im Konferenzraum und starrte auf Sierra Days Namen. Er hatte einen Kreis um ihn gezogen und von dort aus Linien zu den Namen derer, die sie möglicherweise hatten umbringen wollen. Ihr Ehemann. Ihr Lover. Dixon?
Und dann war da noch Fay. Seit achtundzwanzig Jahren tot. Angestellte des Talbot-Museums. Geliebte von Darius Cross.
Außerdem gab es noch Lulu. Verschwunden. Von ihrem Namen aus gab es nur eine Linie, und die führte zu Dixon. Er hatte Sierra gekannt, und er hatte zweifellos
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