So still die Toten
Vor fast dreißig Jahren hat sich ein ganz ähnliches Verbrechen ereignet. Die Frau, die damals ermordet wurde, Fay Willow, hat für Ihren Vater gearbeitet, und höchstwahrscheinlich hatte sie außerdem eine Affäre mit Darius Cross.«
Angies schockierter Gesichtsausdruck verschaffte Malcolm einen kurzen Augenblick der Genugtuung. Schön zu wissen, dass man sie auch aus dem Gleichgewicht bringen konnte. Aber sie war zu erfahren und zu vorsichtig, um es sich allzu sehr anmerken zu lassen. Er hätte darauf gewettet, dass sie eine verflucht gute Pokerspielerin war. »Verstehe.«
Er spürte, wie sich in seinem Nacken ein Muskel verspannte. »Ich halte Ihnen zugute, dass Sie das nicht wussten, als Sie auf die Verbindung Ihrer Familie zur Familie Cross gestoßen sind. Aber jetzt, da Garrison es Ihnen erzählt hat, wäre es nett, wenn Sie uns einweihen könnten.«
»Ich bin mir noch nicht ganz im Klaren darüber, was ich gefunden habe, deshalb möchte ich es eigentlich nicht hier ausbreiten.«
Malcolm verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich an den Konferenztisch. »Welche Verbindung zwischen Ihrem Vater und der Familie Cross haben Sie entdeckt?«
»Wie gesagt, ich weiß selbst noch nicht genau, was dahintersteckt. Und um meinen Standpunkt klarzustellen: Wellington & James vertritt inzwischen Micah Cross. Es wäre also nicht angemessen, wenn ich seine Familienangelegenheiten mit der Polizei erörtern würde.«
»Sie haben Micah Cross als Mandanten angenommen?« Aus jedem einzelnen von Malcolms Worten sprach Entrüstung.
Angie hob trotzig das Kinn. »Nicht ich selbst, aber die Kanzlei. Wir vertreten seine Stiftung.«
Garrison sah Eva an. »Hast du davon gewusst?«
»Ja. Sie hat es mir gesagt, bevor sie den Vertrag unterzeichnet haben.« Eva räusperte sich. »Mir sind in dieser Angelegenheit moralisch nicht die Hände gebunden, oder?«
Angie zuckte die Schultern, wirkte aber weder aufgebracht, noch schien sie ihre Schwester zum Schweigen bringen zu wollen. »Nein, dir nicht.«
»Dann kann ich ihnen erzählen, was du mir erzählt hast?«
Angie zuckte erneut die Schultern.
»Mein Vater, Blue Rayburn, arbeitete als Chef des Sicherheitsdienstes im Talbot-Museum. Angies Vater leitete das Museum. Kurz nachdem mein Vater dort angefangen hatte, begann er eine Affäre mit meiner Mutter. Wie Sie wissen, scheiterte die Ehe der Carlsons wegen dieser Affäre.«
»Ms Carlson, können Sie uns sagen, was Ihr Vater im Museum genau gemacht hat? Ich meine, das würde wohl kaum zu irgendwelchen Interessenskonflikten führen«, sagte Malcolm.
Angie fuhr geistesabwesend mit dem Zeigefinger über die Initialen FCT auf ihrer Aktentasche. »Er war der Direktor. Er hatte mit der Verwaltung zu tun, den Mitgliedschaften, den Eintrittskarten, den Ausstellungen. Er
war
das Museum.«
»Welche Art von Ausstellungen?«
»Das Talbot-Museum war nicht groß und außerhalb akademischer Kreise kaum bekannt. Es widmete sich der Familie Talbot. Mein Großvater hat mit dem alten Mr Talbot im Zweiten Weltkrieg gekämpft. Die genauen Einzelheiten kenne ich nicht, aber nach dem Krieg wurde mein Großvater bei der Familie angestellt. Die Talbots waren wohlhabend und hatten jahrhundertealte Wurzeln in diesem Land. Um es kurz zu machen, die Familie beschloss, ihr eigenes Museum zu gründen. Mein Großvater wurde mit der Leitung beauftragt. Und als er starb, übernahm mein Vater den Posten von ihm.«
»Was wurde in dem Museum ausgestellt?«
»Erinnerungsstücke und Souvenirs von den ausgedehnten Reisen der Familie nach Afrika und Russland. Wie gesagt, die Familie hat eine lange Geschichte, die Sammlung war daher sehr vielfältig.«
»Welche Art von Erinnerungsstücken?«
»Porträts. Kleidungsstücke. Möbel. Flinten. Alles mögliche. Die zusammengetragenen Schätze wurden von meinem Vater und meinem Großvater aufbereitet und ausgestellt.«
Eva räusperte sich. »Darius Cross hat dem Talbot-Museum eine große Summe gespendet. Ich habe schon zu Angie gesagt, dass er nie etwas ohne einen guten Grund getan hat.«
Malcolm zog die Augenbrauen zusammen. »Wenn die Talbots so reich waren, wieso hat Cross dann gespendet?«
Angie verschränkte die Arme. »Die Familie Talbot hatte auch ihre Schwächen. Die jüngere Generation hat sich in Geldangelegenheiten nicht so clever angestellt. Es ging sehr viel an der Börse verloren, und die Mittel für das Museum wurden stark gekürzt. Aus Loyalität mit der Familie hat mein Vater versucht, es trotzdem
Weitere Kostenlose Bücher