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So stirbt kein Held

So stirbt kein Held

Titel: So stirbt kein Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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Wohnwagen hinauf und hinab. Der Mond schien
hell, und zunächst war keine Menschenseele weit und breit zu sehen. Ich
überlegte schon, ob wir uns die Schreie vielleicht nur eingebildet hatten.
    Da vernahm ich ein leises
scharrendes Geräusch ganz in meiner Nähe. Mein Blut erstarrte mir in den Adern,
ich konnte kein Glied bewegen. Das Gescharre ging weiter, und es schien, als
komme es noch näher. Ich zwang mich, den Kopf zu wenden, schaute nach allen
Seiten aus, wo das Geräusch wohl herrührte.
    Hinter dem nächsten Wohnwagen
erschien eine Gestalt. Sie wirkte wie ein sehr alter Mann, zog gebeugt und
scharrend die Füße nach, während sie sich müde auf mich zuschleppte .
Ich konnte mich noch immer nicht von der Stelle rühren. Ich sah nur zu, wie der
Mann sich näherte, den Arm in einer seltsam flehenden Geste erhoben — und dann
sank er langsam zu Boden.
    Ich schämte mich. Da suchte
dieser arme alte Mann nach Hilfe, und ich tat weiter nichts als herumstehen und
zu schauen, bloß weil irgendein Nachtvogel mir mit seinem Schrei angst gemacht hatte. Da siehst du es, Mavis ,
schalt ich mich, während ich hineilte, wie dumm man sich benimmt, wenn man die
Phantasie mit sich durchgehen läßt.
    Ich kniete neben ihm nieder. Er
lag zusammengekrümmt am Boden, das Gesicht nach der anderen Seite gedreht.
»Haben Sie Schmerzen ?« sagte ich.
    Er gab keine Antwort — bewegte
sich nicht einmal —, und da machte ich mir doch ernsthaft Sorgen. Ich schob
eine Hand behutsam zwischen Erde und sein Gesicht und drehte den Kopf zu mir.
Einen endlosen Augenblick lang starrten mich seine großen, gepeinigten Augen
gläsern an, dann ließ ich den Kopf instinktiv los; er fiel wieder auf die Erde.
    Langsam stand ich auf, hörte
ein schreckliches Wimmern und brauchte ein Weilchen, bis ich begriff, daß es
von mir stammte. Ein alter Mann, hatte ich gedacht,
ein armer alter Mann, der zu müde ist, um beim Gehen den Kopf zu heben. Und als
ich den Kopf umgedreht hatte, da waren es die Augen eines jungen Mannes gewesen,
die mich aus Mel Parkers Gesicht angestarrt hatten.
    Er mußte doch einen Grund
gehabt haben, durchzuckte es mich, daß er so gebückt einhergeschlurft kam, als bereite ihm jeder Schritt unsägliche Schmerzen. Die gräßlichen Schreie mußte doch er ausgestoßen haben, kein
Nachtvogel!
    Der Mond tauchte wieder hinter
einer Wolke auf, während ich erneut niederkniete, mich zusammenriß und näher hinsah. Ein silberner Lichtstrahl huschte über den Körper, und dann
sah ich es, das Messer, das fast bis zum Heft in seinem Magen steckte. Seine
rechte Hand umklammerte noch die fünf Zentimeter nackten Stahl, die nicht ins
Fleisch gedrungen waren, und die Finger glitzerten feucht.
    Am Messerknauf leuchtete etwas;
ich blickte genauer hin und erkannte, daß es eine Art Emblem war. Dann wurde
das Mondlicht heller, und ich sah deutlich, wie sich der silberne Widder vor
dem Untergrund aus winzigen Sternchen abhob. Auch ohne Drew Fenelks Astrologie wußte ich, daß dies das Tierkreiszeichen des Widders war.
    Stimmen klangen auf, Schritte
näherten sich, dann packte eine starke Hand meinen Ellbogen und half mir wieder
auf die Beine.
    » Mavis !« sagte Jason besorgt. »Bist du okay ?«
    »Mir geht’s ganz gut«,
stammelte ich. »Aber Mel Parker — jemand hat ihn mit dem Messer... Ich glaube,
er ist tot !«
    »Ja, ja«, sagte Jason. »Und dir
fehlt wirklich nichts ?«
    »Wirklich nichts, ich...«
    Da verstummte ich plötzlich,
denn nun war’s passiert — das Ende der Welt war gekommen, sie hatte die Bombe
geworfen, und sie war wohl noch gewaltiger, als man angenommen hatte. Das war
das Ende für alle und alles inklusive Mavis Seidlitz , und seltsamerweise war’s mir ganz egal. Ich war
so fasziniert, wie der Mond in verrückten Bögen immer rundherum schwang, immer
schneller, bis ich schwindlig wurde und die Augen schließen mußte. Aber auch
das verschaffte mir keine Erleichterung, denn der verrückt gewordene Mond fiel
plötzlich auf mich herab und löschte alles andere aus. Gleichzeitig verkündete
eine körperlose Stimme aus dem All: »Es ist der Schock, weil sie ihn so
gefunden hat.... Wir wollen sie lieber in ihren Wohnwagen bringen .«
     
     
     

7
     
    Al
Wheeler
     
    Irgendein Witzbold hat’s einmal
die Geisterstunde genannt, da gähnten die Gräber. Er muß wohl gewußt haben,
wovon er sprach: Mitternacht. Ich gähnte mindestens soweit wie die Gräber. Der lange Tag hatte eine noch längere Nacht im Gefolge, und ich
kam

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