So stirbt kein Held
unmittelbar vor
meiner Tür .«
»Haben Sie nachgesehen, was los
war ?«
Er schüttelte sich erneut,
diesmal noch heftiger. »Körperlich bin ich ein großer Feigling, Leutnant. Ich
hätte keinen Fuß aus diesem Wohnwagen gesetzt, selbst wenn meine Mutter da
draußen geschrien hätte. Ich blieb, wo ich war, kniff die Augen zu und hoffte,
daß es vorbeiging .«
»Eine Blutspur führt von Ihrer
Tür zu der Stelle, wo Parker dann starb«, sagte ich. »Er wurde mit Ihrem Messer
ermordet, Fenelk . Wie erklären Sie sich diese beiden
Tatsachen ?«
»Erklären?« Seine Stimme klomm
noch eine Oktave empor. »Es gibt eine ganz einfache Erklärung, Leutnant: Ich
bin das Opfer eines mörderischen und blutigen Komplotts. Jemand haßt mich und will mich vernichten, aus einem irrsinnigen
Grund, den ich nicht begreife .«
Er starrte Bliss vorwurfsvoll an.
»Und aus einem anderen Grund, den ich ebenfalls nicht begreife, haben mich
meine sogenannten Freunde, die Menschen, denen ich vertraute — sie haben mich
in der Stunde der Not verlassen .«
»Und Sie haben keine Ahnung,
wer hinter dem Komplott stecken könnte ?« bohrte ich.
» Ivorsen !« schrillte er in verzweifeltem Falsett. »Wer denn sonst?
Er ist der Mann, der mich öffentlich beleidigt hat. Und wer hat diesem
Ungeheuer von Leibwächter befohlen, mich zu mißhandeln ?
Wer hat mich denn hier eingesperrt, als sei ich ein gemeiner Verbrecher oder
Schlimmeres? Ich sage es Ihnen, Leutnant: Dieser Mensch ist wahnsinnig !«
»Und weshalb sollte er Ihnen
all das antun ?«
Fenelk senkte wieder niedergeschlagen
den Kopf. »Das frage ich mich auch schon dauernd«, murmelte er. »Wenn er mir
nur sein Geburtsdatum verriete, dann könnte ich danach ein genaues Horoskop
erstellen, aber er ist ja viel zu raffiniert, um mir diese wichtige Information
zu geben. Die typische Reaktion eines Paranoikers, möchte ich sagen .«
»Sie haben die Morde vorausgesagt«,
meinte ich. »Man hat deshalb den Verdacht geäußert, Sie könnten den Sternen ein
bißchen nachgeholfen haben, damit Ihre Prophezeiungen auch wirklich ein treffen .«
»Ich habe Gefahr, Unheil und
Tod vorausgesagt«, grollte er, und ein entschlossener Ausdruck trat in sein
Gesicht. »Ich habe nicht vorhergesagt, wer oder wie viele sterben würden. Die
Astrologie zeigt Möglichkeiten und mitunter Wahrscheinlichkeiten an, Leutnant,
aber niemals ein tatsächliches Geschehen .« Sein Kopf
zuckte plötzlich hoch, und er starrte mich aus großen Augen an. »Soll das
übrigens heißen, daß Sie glauben, ich hätte Banning und Parker ermordet, nur um die Richtigkeit meiner Voraussagen zu beweisen ?« Er lachte ungläubig. »Da hätte ich ja völlig verrückt
sein müssen .«
»Diesen Verdacht hat man
ebenfalls geäußert«, sagte ich, der guten Ordnung halber.
Ich wandte mich um und verließ
den Wohnwagen; Bliss folgte mir. Ich hatte Mr. Fenelks Seele wohl nicht gerade erleichtert, sagte ich mir.
»Sind Sie’s, Leutnant ?« Eine breitschultrige Gestalt tauchte plötzlich im hellen
Mondschein neben mir auf.
»Ich bin’s immer noch«, gab ich
widerstrebend zu. »Wieso sind Sie denn so rasch mit der Seidlitz zu Rande gekommen ?«
»Sie spricht nicht mit mir«,
erklärte Polnik fröhlich. »Sie sagt, sie redet nur
mit dem Leutnant, denn erstens sähen Sie besser aus und zweitens seien Sie
nicht verheiratet .«
Bliss kicherte boshaft. »Das
ist wieder mal echt Mavis «, sagte er. »Ich glaube, da
brauchen Sie mich wohl nicht mehr, Leutnant .«
»Nein«, sagte ich finster. »Es
scheint sinnlos, daß wir beide unser Gehör aufs Spiel setzen. Aber bevor Sie
gehen — wo waren Sie, als Parker schrie ?«
»In meinem Wohnwagen«, sagte er
ruhig.
»Allein?«
»Allein.«
»Es wäre wirklich nett«, sagte
ich versonnen, »wenn mir nur ein einziges Mal jemand mit einem Alibi begegnen
würde .«
»Ich bedaure, daß ich Ihnen den
Gefallen nicht tun kann, Leutnant«, lächelte Bliss. »Wäre das alles ?«
»Im Augenblick ja«, sagte ich.
»Vielleicht komme ich später noch auf Sie zurück .«
»Bitte sehr .« Er ging gelassen zu seinem Wohnwagen.
Ich brannte mir eine Zigarette
an und musterte Polnik mißtrauisch. »Ich nehme an, Sie haben es so eingerichtet, daß ich nun diese Miss Seidlitz besuchen muß .«
»Es war ihre Idee, ehrlich,
Leutnant«, sagte er rasch.
»Da drin«, sagte ich und wies
mit dem Daumen auf die Wohnwagentür hinter uns, »sitzt ein Mensch namens Drew Fenelk . Vielleicht ist er ja harmlos, ein armer Irrer,
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