So unerreichbar nah
milde
gelächelt und mit Lisa im Aufzug über eure Hemmungslosigkeit gefeixt.
Beide
Alternativen riefen in mir eine geradezu depressive Stimmung hervor. Verdammt,
warum wohnten Lisa und ich im selben Haus?
In meiner
Wohnung hätte ich am liebsten K.O.Tropfen geschluckt, um diesen Abend, der
meine Gefühle auf höchster Drehzahl herumgeschleudert hatte, schnellstmöglich
zu vergessen. Und jetzt war da auch noch Paul, der seine ihm zustehende volle
Aufmerksamkeit im Bett von mir einforderte. Ich ließ alles über mich ergehen
und fakte an der richtigen Stelle meinen Höhepunkt, um auch ihn schnell kommen
zu lassen. Es klappte und kurz darauf schnarchte er im Tiefschlaf neben mir,
während ich mich, obwohl todmüde, schlaflos in meinen Kissen hin- und her wälzte.
So konnte es
nicht weitergehen! Ich musste mich um meines Seelenfriedens willen dringend von
Lucas fernhalten. Ich würde mich in Zukunft nur noch mit Lisa allein treffen.
Irgendeine plausibel klingende Ausrede würde mir dafür schon einfallen.
Wie wär´s
mit: Ich darf deinen Freund nicht mehr treffen, da ich bei seinem Anblick regelmäßig
hyperventiliere und ihn auf der Stelle in mein Bett zerren will?
Sonntags ließ
ich Paul lange schlafen, bereitete zur Beruhigung meines schlechten Gewissens
ein opulentes Frühstück, obwohl ich selbst überhaupt keinen Hunger verspürte
und brachte diesen Tag irgendwie herum, bis Paul sich abends verabschiedete.
Kurz danach
lag ich auf meiner Couch und starrte fasziniert auf den Bildschirm. In den
DVD-Player hatte ich "Der rote Korsar" eingelegt. Ich stellte fest,
dass Lucas noch besser aussah als Burt…
DEVIL IN DISGUISE
Am
Montagmorgen, noch bevor ich meinen ersten Patienten behandelte, meldete sich
Silvia über die Gegensprechanlage.
»Tessa, da
möchte Sie jemand namens Lisa sprechen. Sie sagt, es sei dringend.«
Ich bat
Silvia, das Gespräch durchzustellen und war neugierig, was so dringend sein
konnte, dass mich meine Freundin in aller Früh hier in der Praxis anrief. Vielleicht
hatte sie mit Lucas Probleme? Noch während ich mich für diesen Gedanken
schämte, war sie in der Leitung.
»Hi, Tessa.
Du wunderst dich sicher über meinen Anruf. Aber am Samstagabend hatten wir
keine Gelegenheit, unter vier Augen miteinander zu sprechen. Es geht um meinen
Chef Wolfgang, genauer gesagt, dessen Schwester. Ich habe neulich im Gespräch
mit Wolfgang mal erwähnt, dass meine beste Freundin Psychotherapeutin ist und
deine Fähigkeiten gelobt. Und dann rückte er damit raus, dass sich seine
gesamte Familie große Sorgen um seine jüngere Schwester Alicia macht, weil ihre
Angstzustände, die sie seit ein paar Jahren hat, in den letzten Wochen immer
schlimmer geworden sind. Angeblich fürchtet sie sich allein in ihrer Wohnung,
traut sich aber auch nicht mehr nach draußen. Und jetzt haben Wolfgang und
seine Eltern Angst, sie könne sich aus Verzweiflung etwas antun. Er lässt jetzt
durch mich anfragen, ob du eventuell bereit wärst, mit ihr zu sprechen? Er
würde sie zu dir bringen.«
Ich räusperte
mich. Das klang interessant. Für mein Psychologen-Ich, meinte ich. Für die
Betroffenen waren Angststörungen eine Katastrophe, da sie sich oft
verselbstständigten, immer mehr wurden und die Lebensqualität ganz erheblich
verminderten. Das konnte im äußersten Fall tatsächlich in Selbstmord oder dem
Versuch davon enden. Aber mit kognitiver Verhaltenstherapie konnte man gute bis
sehr gute Erfolge erzielen. Ich hatte schon einige Patienten mit leichteren
Angststörungen erfolgreich behandelt. Allerdings klang dieser Fall nach einer
harten Nuss.
»Ich spreche
gerne mit Alicia. Voraussetzung ist aber, dass in erster Linie sie selbst zu
mir kommen und sich helfen lassen möchte. Der Wille der Familie reicht nicht.
Wolfgang soll mit ihr reden, aber sie muss mich wegen eines Termins selbst
anrufen. Sie soll am Telefon mich persönlich verlangen. Wenn ich gerade in
einer Behandlung stecke, rufe ich sie baldmöglich zurück. Dann sehen wir
weiter.«
Lisa bedankte
sich und da wir beide arbeiten mussten, beendeten wir das Telefonat rasch.
Noch am
gleichen Tag legte mir Silvia nachmittags zwischen zwei Patienten einen Zettel
mit einem Namen und einer Telefonnummer auf meinen Schreibtisch.
»Die Frau
wollte nur persönlich mit Ihnen sprechen, Tessa. Es geht um eine dringende
Terminvereinbarung.«
Ich las den
Namen, A. Tarweiler und erkannte am Nachnamen, dass es sich um die Schwester
von Lisas Chef
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