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So unerreichbar nah

So unerreichbar nah

Titel: So unerreichbar nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marleen Reichenberg
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seiner Stirn pochte. Verächtlich sah
er mich an. Innerlich krümmte ich mich unter diesem vernichtenden Blick.
    »So siehst du
das also. Schön, dann bedanke ich mich jetzt zum einzigen und letzten Mal für
die heiße Nacht und hoffe, deinen sexuellen Ansprüchen genügt zu haben. Leb
wohl, Tessa.«
    In Windeseile
war er in seine Klamotten geschlüpft, drehte sich um und verschwand wortlos
durch die Haustür, die er hinter sich zuwarf.
    Ermattet und
völlig fertig sank ich auf mein Bett. Großer Gott, das war außer den
Beerdigungen meiner Eltern das Schwierigste gewesen, was ich in meinem ganzen
Leben hatte tun müssen. Ich fühlte mich beschmutzt, leer, einsam und
abgrundtief traurig. Ich hoffte inständig, mein Opfer würde nicht umsonst sein.
Er und Lisa mussten zusammenbleiben, jetzt, wo sie sein Baby erwartete.
    Sein Baby!
Diese beiden Worte schmerzten noch mehr als der verächtliche Blick, mit dem er
mich gerade angesehen hatte. Dieses Kind hatte sich, obwohl noch gar nicht auf
der Welt, unerwartet aber endgültig zwischen ihn und mich geschoben. Wieder war
er unerreichbar für mich geworden, diesmal für immer.

SKYFALL
     
    Den Sonntag
brachte ich damit herum, mit meinem Wagen die gesamte Münchner Peripherie
abzufahren. Ich fuhr konzentriert und ließ im CD-Player Hardrock laufen, weil
es die einzige Musik war, die mich nicht noch mehr hinunterziehen konnte.
    Passend zu
meiner Stimmung dröhnte AC/DC´s Hells Bells aus den Stereoboxen, als ich an
einem Hinweisschild zum Flughafen vorbeirauschte. Obwohl ich alles tat, um
jeglichen Gedanken an Lucas aus meinem Hirn zu verbannen, erinnerte mich
ständig etwas an ihn. Jetzt war es die Tatsache, dass er vermutlich gerade auf
besagtem Flughafen auf Lisa warten und kurz darauf erfahren würde, dass er
innerhalb eines Jahres Vater wäre. Gut, das würde ihn vermutlich seinen Zorn
auf mich rasch vergessen lassen.
     
    Ich kam
irgendwann auch an einer Ausfahrt nach Dachau vorbei und erwog einen winzigen
Moment, Elsa und Armin zu besuchen. Dann fiel mir ein, dass sie Großeltern werden
würden. Und ich offiziell nichts davon wusste. Und nach dieser vorletzten Nacht
konnte ich den Eltern meiner Freundin ohnehin nicht unbefangen unter die Augen
treten. Ich hatte es geschafft, nun wirklich mutterseelenallein zu sein.
    Alle
Menschen, an denen mir etwas lag oder denen ich wichtig war, hatte ich durch
mein Verhalten verletzt, enttäuscht und vor den Kopf gestoßen, obwohl nur Lucas
und ich davon wussten. Ihn hatte ich am meisten enttäuscht. Das gesamte
Wochenende hörte und sah ich weder ihn noch Lisa. Ich hoffte, sie würden sich
aussprechen.
     
    Wie bereits
in der vorhergehenden Nacht wälzte ich mich von Sonntag auf Montag schlaflos im
Bett herum. Abwechselnd rasten mir Bruchstücke von Lucas´ und meinem
Zusammensein durch den Kopf, gepaart mit lebhaften Fantasievorstellungen von
Lucas und Lisa als glücklichem Elternpaar. Kinderwagenschiebend, gemeinsam
strahlend über ein Kinderbettchen gebeugt sowie lachend mit zugehaltenen Nasen
an einem Wickeltisch stehend, kümmerten sie sich liebevoll um ihr Baby.
    Interessanterweise
sah ich dabei das Kind selbst nicht, wusste auch nicht, ob es ein Junge oder
ein Mädchen war. Wahrscheinlich würde es - wie seine Eltern - ebenfalls einem
Namen erhalten, der mit L begann, so wie Leon, Leander, Lennart, Leif oder Lea,
Lara, Linda, Larissa…
    Und die gesamte
Zeit über hatte mich der unerträgliche Schmerz, Lucas nie wieder so nahe kommen
zu dürfen, wie ich ihm gewesen war, fest in seinen Klauen. Außer dem ständigen
Brennen in der Magengrube und Gliederschmerzen verspürte ich ein dauerndes
dumpfes Ziehen in meiner linken Brustseite. Mein Herz tat mir tatsächlich weh.
    Hätte ich es
nicht besser gewusst, wäre ich aus Angst vor einem drohenden Herzinfarkt sofort
zum nächsten Arzt gerannt. Aber gegen Liebeskummer war leider noch kein
Medikament erfunden worden. Derjenige, dem diese Erfindung glückte, würde ein
Vermögen verdienen.
     
    Montags schleppte
ich mich auf Autopilot in die Praxis. Nicht einmal die Tatsache, dass Franziska
mir den Tag nicht mehr versauen konnte, heiterte mich auf. Irgendwie schaffte
ich es, mich meinen Patienten zu widmen und meine Probleme ins hinterste Eck
meines Verstandes zu schieben, wo sie mich vorerst in Ruhe ließen, weil ich
abgelenkt war.
    Abends, als
ich dann in meine Wohnung kam, schlugen sie mit Wucht erneut auf mich ein. Kaum
hatte ich meine Diele müde und erschlagen betreten,

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