So wahr uns Gott helfe
Geschworenen noch einmal darauf hinzuweisen, keine Zeitungsartikel oder Fernsehberichte über den Prozess zur Kenntnis zu nehmen.
Anschließend erklärte er den Geschworenen, der Prozess beginne mit den Eröffnungsplädoyers der beiden gegnerischen Parteien.
»Meine Damen und Herren«, verkündete der Richter, »denken Sie bitte immer daran: Was Sie jetzt hören, sind Behauptungen. Sie besitzen keine Beweiskraft. Es ist Aufgabe beider Seiten, Beweise vorzulegen, die ihre Behauptungen stützen. Und Ihnen kommt dabei die Aufgabe zu, am Ende des Prozesses darüber zu entscheiden, ob ihnen das gelungen ist.«
Daraufhin wies er in Richtung Golantz und bat die Anklage zu beginnen. Wie bei der Vorbesprechung vereinbart, stand jeder Partei eine Stunde zur Verfügung. Ich hatte keine Ahnung, was Golantz plante, aber ich würde nicht annähernd so viel Zeit benötigen.
Golantz, in seinem schwarzen Anzug mit weißem Hemd und weinroter Krawatte eine ebenso attraktive wie seriöse Erscheinung, erhob sich und wandte sich vom Tisch der Anklage aus an die Geschworenen. Neben ihm saß eine gut aussehende junge Staatsanwältin namens Denise Dabney, die ihm assistieren würde. Sie behielt die ganze Zeit die Geschworenen im Auge, während er sprach. Zwei Augenpaare würden ab jetzt abwechselnd oder im Team die Gesichter der Geschworenen mustern, was noch einmal den Ernst und die Bedeutung der anstehenden Aufgabe betonte.
Nachdem er sich und seine Assistentin vorgestellt hatte, kam Golantz zur Sache.
»Meine Damen und Herren Geschworenen, der Grund unserer Anwesenheit hier sind zügellose Gier und Wut. Nichts anderes. Der Angeklagte, Walter Elliot, verfügt in unserer Gemeinschaft über ein hohes Maß an Einfluss, Geld und Ansehen. Aber das hat ihm nicht genügt. Er war nicht bereit, sein Geld und seine Macht zu teilen. Er war nicht bereit, die andere Wange hinzuhalten, als er betrogen wurde. Stattdessen hat er auf denkbar extreme Weise Vergeltung geübt. Er hat nicht nur einen Menschen getötet, sondern gleich zwei. In einem Moment großer Wut und Erniedrigung hat er zur Waffe gegriffen und sowohl seine Ehefrau, Mitzi Elliot, als auch Johann Rilz getötet. Er hat geglaubt, sein Reichtum und seine Macht würden ihn über das Gesetz stellen und davor bewahren, für diese verabscheuungswürdigen Verbrechen bestraft zu werden. Doch dem ist nicht so. Der Staat wird Ihnen über jeden berechtigten Zweifel hinaus beweisen, dass Walter Elliot den Abzug gedrückt und den Tod zweier unschuldiger Menschen zu verantworten hat.«
Ich saß zur Seite gedreht auf meinem Stuhl. Zum einen wollte ich den Geschworenen den Blick auf meinen Mandanten versperren und zum anderen Golantz und die Zuschauer hinter ihm im Auge behalten. Der Staatsanwalt hatte kaum die ersten Sätze zu Ende gesprochen, als bei Mitzi Elliots Mutter bereits die Tränen zu fließen begannen. Das war etwas, worauf ich den Richter ansprechen musste, wenn die Geschworenen es nicht hören konnten. Diese theatralischen Gefühlsausbrüche weckten Voreingenommenheit, und deshalb würde ich einen Antrag stellen, der Mutter des Opfers einen Platz zuzuweisen, auf dem sie sich nicht mitten im Blickpunkt der Geschworenen befand.
Ich spähte an der weinenden Frau vorbei und betrachtete die finsteren Mienen der Männer aus Deutschland. Ich maß ihnen und dem Eindruck, den sie auf die Geschworenen machten, große Bedeutung bei. Ich wollte sehen, wie sie mit ihren Emotionen und dem Ambiente eines amerikanischen Gerichtssaals umgingen. Ich wollte herausfinden, wie bedrohlich man sie erscheinen lassen konnte. Denn je finsterer und beängstigender sie wirkten, desto besser würde die Verteidigungsstrategie aufgehen, wenn ich mich mit Johann Rilz befasste. So wie sie im Moment rüberkamen, standen meine Chancen nicht schlecht. Sie wirkten wütend und fies.
Golantz schilderte den Geschworenen den Fall aus seiner Sicht. Er erklärte ihnen, was er an Zeugenaussagen und Beweisen vorlegen würde, und was seiner Meinung nach daraus hervorginge. Es gab keine Überraschungen. Gegen Ende seines Auftritts erhielt ich eine SMS von Favreau, die ich unter dem Tisch las.
FAVREAU: Sie fressen ihm aus der Hand. Streng dich gefälligst an.
Erzähl mir mal was Neues, dachte ich. Als ob ich das nicht schon längst gemerkt hätte.
In jeden Strafprozess ist ein unfairer Vorteil für die Anklage eingebaut. Sie hat alle Macht und Autorität des Staates auf ihrer Seite. Man unterstellt ihr automatisch, sie
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