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So wahr uns Gott helfe

So wahr uns Gott helfe

Titel: So wahr uns Gott helfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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wollte nichts zwischen mir und den Geschworenen haben. Mir war auch bewusst, dass ich damit direkt vor der Court-TV-Kamera stand, die über der Geschworenenbank angebracht war.
    Abgesehen von einem leichten Kopfnicken wandte ich mich ohne jede Geste an die Geschworenen.
    »Meine Damen und Herren, ich weiß, der Richter hat mich Ihnen bereits vorgestellt, trotzdem möchte ich mich und meinen Mandanten gerne noch einmal selbst vorstellen. Ich bin Michael Haller, der Anwalt von Walter Elliot, den Sie dort allein auf der Anklagebank sitzen sehen.«
    Ich deutete auf Elliot, der, wie vorher abgesprochen, nur ernst nickte. Er zeigte kein gekünsteltes Lächeln, das ähnlich anbiedernd gewirkt hätte wie das Manöver des Staatsanwalts, die Geschworenen mit »Leute« anzusprechen.
    »Ich möchte hier nicht unnötig Ihre Zeit verschwenden, denn ich würde gern möglichst schnell zu den Zeugenaussagen und Beweisen gelangen – so wenige es davon auch geben mag. Deshalb, keine langen Umschweife. Es wird Zeit, entweder Fakten vorzulegen oder zu schweigen. Mr. Golantz hat Ihnen ein umfangreiches und kompliziertes Bild entworfen. Dafür hat er eine geschlagene Stunde gebraucht. Ich bin hier, um Ihnen zu sagen, dass dieser Fall keineswegs so kompliziert ist. Was die Anklage Ihnen hier vorgeführt hat, ist lediglich ein Labyrinth aus Rauch und Spiegeln. Und sobald wir den Rauch weggeblasen und unseren Weg durch das Labyrinth gefunden haben, werden auch Sie das erkennen. Sie werden feststellen, dass es kein Feuer gibt, und dass die Beschuldigungen, die gegen Walter Elliot erhoben werden, jeglicher Grundlage entbehren. Sie werden sehen, dass mehr als nur berechtigte Zweifel an seiner Schuld bestehen, und es im Grunde unerhört ist, dass diese Anklage gegen Walter Elliot überhaupt erhoben wurde.«
    Ich wandte mich erneut um und deutete auf meinen Mandanten. Er hielt den Blick auf einen vor ihm liegenden Block gesenkt und machte sich Notizen. Auch das war abgesprochen, um ihn als einen Mann darzustellen, der aktiv an seiner Verteidigung mitarbeitete, erhobenen Hauptes und unbeeindruckt von den ungeheuerlichen Anschuldigungen, die von der Anklage gerade gegen ihn erhoben worden waren. Er hatte das Recht auf seiner Seite.
    Ich wandte mich wieder den Geschworenen zu und fuhr fort:
    »Mr. Golantz hat meinen Zählungen zufolge während seiner Ausführungen sechsmal das Wort Schusswaffe verwendet. Sechsmal hat er davon gesprochen, Walter Elliot hätte eine Schusswaffe genommen und damit die Frau, die er liebte, sowie einen zweiten unschuldigen Anwesenden erschossen. Sechsmal. Doch was er Ihnen sechsmal verschwiegen hat, ist, dass es keine Schusswaffe gibt. Er kann keine Schusswaffe vorweisen. Das Sheriff’s Department hat keine Schusswaffe gefunden. Und sie können auch keine Verbindung zwischen Walter Elliot und irgendeiner Schusswaffe herstellen, weil er nie eine besessen hat.
    Mr. Golantz hat Ihnen erzählt, er werde unwiderlegbare Beweise präsentieren, dass Walter Elliot eine Schusswaffe abgefeuert hat. Aber ich möchte Sie bitten, erst einmal abzuwarten. Behalten Sie seine Zusicherung im Hinterkopf, und lassen Sie uns am Ende dieses Prozesses sehen, ob diese sogenannten Beweise tatsächlich unwiderlegbar sind. Lassen Sie uns überprüfen, ob sie Bestand haben.«
    Mein Blick wanderte beim Sprechen über die Gesichter der Geschworenen wie einer dieser Scheinwerfer, die nachts über den Himmel von Hollywood ziehen. Ich blieb ständig in kaum merklicher Bewegung. Ich spürte einen gewissen Rhythmus in meinen Gedanken und Argumenten und wusste instinktiv, dass ich mir der Aufmerksamkeit der Geschworenen sicher sein konnte. Jeder von ihnen hing an meinen Lippen.
    »Wir alle in dieser Gesellschaft wollen, dass unsere Strafverfolger ihrer Aufgabe professionell, gründlich und auf die bestmögliche Art und Weise nachgehen. Wir werden in den Nachrichten und auf der Straße tagtäglich mit Kriminalität konfrontiert. Und wir wissen, dass diese Männer und Frauen die hauchdünne Grenze zwischen Ordnung und Anarchie darstellen. Nur damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich möchte das ebenso sehr wie Sie. Ich selbst bin Opfer eines Gewaltverbrechens geworden. Ich weiß, wie das ist. Und wir alle wollen, dass unsere Polizisten einschreiten und sich für uns einsetzen. Denn dafür sind sie da.«
    Ich hielt inne, um den Blick über die Geschworenenbank schweifen und dabei kurz auf jedem Einzelnen ruhen zu lassen. Erst dann fuhr ich fort:
    »Aber in

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