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So wahr uns Gott helfe

So wahr uns Gott helfe

Titel: So wahr uns Gott helfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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sei ehrlich, integer und fair. Und die Geschworenen und Zuschauer gehen mehr oder weniger unreflektiert davon aus, der Staat werde schon niemanden zu Unrecht beschuldigen. Getreu dem Motto. Wo Rauch ist, muss auch Feuer sein.
    Diese Grundannahme muss jede Verteidigung überwinden. Eigentlich sollte die vor Gericht stehende Person als unschuldig gelten, bis das Gegenteil bewiesen war. Doch wer je als Anwalt oder Angeklagter seinen Fuß in einen Gerichtssaal gesetzt hat, weiß, dass die Unschuldsvermutung nur eine von vielen idealistischen Vorstellungen ist, die man beim Jurastudium lernt. Weder ich noch sonst jemand hatte den geringsten Zweifel daran, dass ich diesen Prozess mit einem bereits vorverurteilten Angeklagten begann. Also musste ich entweder einen Weg finden, seine Unschuld zu beweisen, oder es gelang mir, den Staat gravierender Fehler bei den Ermittlungen oder den Vorbereitungen des Strafverfahrens zu überführen.
    Golantz beanspruchte für seine Ausführungen die gesamte ihm zugestandene Stunde und ließ keine Geheimnisse seiner Sicht des Falls unaufgedeckt. Er legte die typische Arroganz des Anklägers an den Tag: Spiele all deine Trümpfe aus, und dann soll sich die Verteidigung mal die Zähne daran ausbeißen. Die Anklage kam immer daher wie ein Gorilla, so groß und stark, dass sie sich nicht um Finesse zu bemühen brauchte. Sie entwarf ihr Bild des Falls gern mit einem dicken Pinsel und hängte es dann mit einem Vorschlaghammer und einem Zimmermannsnagel an die Wand.
    Bei der Vorbesprechung hatte uns der Richter angewiesen, entweder an unseren Tischen zu bleiben oder das Pult dazwischen zu benutzen, wenn wir die Zeugen befragten. Davon ausgenommen waren lediglich die Eröffnungs- und Schlussplädoyers. In der Anfangs- und Endphase des Prozesses stand es uns frei, den Bereich vor der Geschworenenbank zu betreten, den alte Hasen gern als »Prüfstand« bezeichnen. Denn dort darf man sich nur in den Phasen eines Prozesses aufhalten, in denen die Anwälte die Geschworenen entweder endgültig von ihrer Sicht der Dinge überzeugten oder damit scheiterten.
    Golantz begab sich vom Tisch der Anklage in den Prüfstand, als er zu seinem großen Finale ansetzte. Er baute sich direkt vor der Geschworenenbank auf und breitete wie ein Prediger die Arme aus.
    »Also Leute, meine Zeit ist gleich um«, setzte er an. »Deshalb möchte ich Sie abschließend noch einmal nachdrücklich darum bitten, der Vorstellung der Beweise und den Zeugenaussagen aufmerksam zu folgen. Lassen Sie sich von Ihrem gesunden Menschenverstand leiten. Ich ersuche Sie dringend, sich nicht täuschen oder in die Irre führen zu lassen, wenn die Verteidigung gleich ihre Straßensperren errichten wird, die verhindern sollen, dass die Gerechtigkeit ihren Lauf nimmt. Behalten Sie immer das Wesentliche im Auge. Denken Sie daran, zwei Menschen wurden ihres Lebens und ihrer Zukunft beraubt. Nur aus diesem Grund sind wir heute hier. Wegen dieser beiden unschuldigen Menschen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.«
    Die gute alte »Behalten Sie das Wesentliche im Auge«-Masche. Sie hatte schon ihr Unwesen getrieben, als ich als junger Pflichtverteidiger bei Ge richt angefangen hatte. Das änderte nichts an der Tatsache, dass Golantz einen soliden Start hingelegt hatte. Zwar hatte er sich nicht unbedingt als Redner des Jahres qualifiziert aber dennoch seinen Standpunkt recht überzeugend dargelegt. Außerdem hatte er die Geschworenen mindestens viermal mit »Leute« angesprochen, wenn ich richtig mitgezählt hatte. Eine Anrede, die ich im Gericht nie verwenden würde.
    Favreau hatte mir in der letzten halben Stunde von Golantz’ Plädoyer zwei weitere SMS geschickt, in denen sie mir schwindendes Geschworeneninteresse meldete. Sie mochten ihm am Anfang aus der Hand gefressen haben, aber jetzt waren sie offensichtlich satt. Man kann es auch übertreiben. Golantz hatte sich wie ein Schwergewichtler über die volle Distanz von fünfzehn Runden geschleppt. Ich würde es eher wie ein Mittelgewichtler halten und mich auf blitzartige Jabs verlegen. Ich hatte vor, mich nach kurzen Vorstößen sofort wieder zurückziehen, ein bisschen zu punkten, ein paar Zweifel zu säen und einige Fragen aufzuwerfen. Ich würde dafür sorgen, dass sie mich mochten. Das war der entscheidende Punkt. Denn wenn sie mich mochten, würden sie auch meine Darstellung des Falls mögen.
    Sobald mir der Richter zunickte, erhob ich mich und begab mich sofort in den Prüfstand. Ich

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