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So wahr uns Gott helfe

So wahr uns Gott helfe

Titel: So wahr uns Gott helfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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das?«
    Das war keineswegs gelogen. Ich hatte Richterin Holders Beschluss in meiner Jackentasche. Er verhalf mir zu einem Büro im Legal Center.
    Die Antwort schien ihren Zweck zu erfüllen. Als der Cop meinen Ausweis sehen wollte, hätte ich geltend machen können, dass ich rechtlich nicht verpflichtet war, mich auszuweisen. Aber ich beschloss, keine Staatsaffäre daraus zu machen. Also zückte ich meine Brieftasche und überreichte ihm meinen Führerschein, worauf er meinen Namen und die Nummer auf seinem Klemmbrett notierte. Dann ließ er mich durch.
    »Auf dem zweiten Deck kann man im Moment noch nicht parken«, sagte er. »Der Tatort ist noch nicht freigegeben.«
    Ich winkte ihm zu und fuhr die Rampe hinauf. Auf dem zweiten Parkdeck befanden sich bis auf zwei Streifenwagen und ein schwarzes BMW-Coupé, das auf einen Abschleppwagen der Polizei gehievt wurde, keine weiteren Fahrzeuge. Der BMW war vermutlich Jerry Vincents Wagen. Zwei uniformierte Polizisten machten sich gerade daran, einen Teil des gelben Tatort-Bands zu entfernen. Einer der beiden signalisierte mir, weiterzufahren. Ich sah zwar keine Detectives mehr, aber die Polizei riegelte den Tatort offensichtlich weiter ab.
    Ich kurvte weiter nach oben und fand erst auf der fünften Parketage einen Stellplatz, in den der Lincoln passte. Ein weiterer Grund, mir wieder einen Fahrer zuzulegen.
    Die Kanzlei, die ich suchte, befand sich im ersten Stock des Legal Center. Die Mattglastür war nicht abgeschlossen. Ich betrat das Vorzimmer mit dem leeren Wartebereich und einer Empfangstheke, hinter der eine Frau mit rot verweinten Augen saß. Sie telefonierte gerade mit jemandem, doch als sie mich sah, legte sie das Telefon auf die Theke, ohne auch nur »Augenblick« zu der Person am anderen Ende der Leitung zu sagen.
    »Sind Sie von der Polizei?«, fragte sie mich.
    »Nein, bin ich nicht«, antwortete ich.
    »Tut mir leid, aber die Kanzlei ist heute geschlossen.«
    Ich ging auf den Schalter zu und zog das Schreiben von Richterin Holder aus der Innentasche meiner Anzugjacke.
    »Nicht für mich.« Ich reichte ihr den richterlichen Beschluss.
    Sie entfaltete das Dokument und starrte darauf, ohne es wirklich zu lesen. In einer Hand hielt sie mehrere zerknüllte Papiertaschentücher.
    »Was ist das?«, wollte sie wissen.
    »Ein richterlicher Beschluss«, erwiderte ich. »Mein Name ist Michael Haller, und Richterin Holder hat mich als Vertreter von Jerry Vincent bestellt. Das heißt, wir werden künftig zusammenarbeiten. Sie können gern Mickey zu mir sagen.«
    Sie schüttelte den Kopf, als wehre sie eine unsichtbare Bedrohung ab. Normalerweise hatte mein Name keine derartig einschüchternde Wirkung.
    »Das geht nicht. Mr. Vincent hätte das nicht gewollt.«
    Ich nahm ihr das Dokument aus der Hand, faltete es wieder, und schob es zurück in meine Tasche.
    »Das geht sehr wohl. Die Vorsitzende Richterin des Los Angeles Superior Court hat mich angewiesen, genau das zu tun. Und wenn Sie sich die Verträge genauer ansehen, die Mr. Vincent seine Mandanten hat unterzeichnen lassen, werden Sie meinen Namen bereits in jedem dieser Dokumente finden. Ich bin darin als stellvertretender Rechtsbeistand aufgeführt. Daher tut es im Moment nichts zur Sache, was Mr. Vincent Ihrer Ansicht nach gewollt hätte, denn er hat mich vertraglich zu seinem Vertreter bestimmt, sollte er berufsunfähig werden oder sterben.«
    Die Frau blickte mich konsterniert an. Die zerlaufene Wimperntusche unter einem Auge verlieh ihrem Gesicht ein asymmetrisches, fast komisches Aussehen. Aus irgendeinem Grund erinnerte sie mich an ein Bild von Liza Minnelli.
    »Sie können gern Richterin Holders Sekretärin anrufen und mit ihr Rücksprache halten«, fügte ich hinzu. »Inzwischen muss ich jedoch zusehen, dass ich hier in die Gänge komme. Ich weiß, was Sie heute durchgemacht haben. Auch für mich war es ein ziemlicher Schock. Ich kenne Jerry schon seit seiner Zeit bei der Staatsanwaltschaft. Sie können sich also meines Mitgefühls gewiss sein.«
    Ich nickte, blickte sie an und wartete auf eine Reaktion. Fehlanzeige. Ich gab nicht auf.
    »Um hier mit der Arbeit anfangen zu können, werde ich verschiedene Dinge benötigen. Zuallererst seinen Terminkalender. Ich möchte eine Liste aller Strafsachen zusammenstellen, an denen Jerry gearbeitet hat. Dann werden Sie mir die Akten für …«
    »Er ist weg«, sagte sie unvermittelt.
    »Was ist weg?«
    »Sein Laptop. Die Polizei hat gesagt, der oder die Täter haben

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