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So wahr uns Gott helfe

So wahr uns Gott helfe

Titel: So wahr uns Gott helfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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seinen Aktenkoffer aus dem Auto gestohlen. Er hatte alles in seinem Laptop gespeichert.«
    »Sie meinen, seinen Terminkalender? Er hatte keinen Ausdruck?«
    »Der ist auch weg. Er lag in seiner Mappe in seinem Aktenkoffer.«
    Sie starrte abwesend ins Leere. Ich tippte oben auf den Monitor, der auf ihrem Schreibtisch stand.
    »Und was ist mit diesem Computer?«, fragte ich. »Ist da keine Sicherungskopie seines Kalenders drauf?«
    Sie schwieg, weshalb ich die Frage wiederholte.
    »Hat Jerry seinen Terminkalender sonst irgendwo gespeichert? Gibt es eine Möglichkeit, an die Sicherungskopie zu kommen.«
    Endlich blickte sie zu mir auf, und es schien, als fände sie Freude an ihrer Antwort.
    »Ich habe den Kalender nicht geführt. Das hat er gemacht. Er hatte alles in seinem Laptop, und den Ausdruck trug er in der alten Mappe immer bei sich. Jetzt sind beide verschwunden. Die Polizei hat mich gebeten, hier überall danach zu suchen, aber sie sind weg.«
    Ich nickte. Der verschwundene Terminkalender stellte ein Problem dar, aber kein unüberwindliches.
    »Wie sieht es mit seinen Akten aus? Hatte er davon welche in seinem Aktenkoffer?«
    »Ich glaube nicht. Die Akten hat er alle hier aufbewahrt.«
    »Okay, gut. Dann machen wir jetzt Folgendes. Wir suchen alle aktuellen Fälle raus und rekonstruieren den Kalender anhand der Akten. Des Weiteren brauche ich Einsicht in sämtliche Kontoauszüge oder Scheckhefte für die Treuhand- und Girokonten.«
    Sie musterte mich streng.
    »Sein Geld kriegen Sie auf keinen Fall.«
    »Es ist nicht mehr sein …«
    Ich hielt inne, holte tief Luft und setzte in ruhigem, aber bestimmtem Ton neu an.
    »Zuallererst möchte ich mich entschuldigen. Ich habe die Sache verkehrt herum aufgezogen. Ich weiß noch nicht einmal Ihren Namen. Lassen Sie uns nochmal von vorn beginnen. Wie heißen Sie?«
    »Wren.«
    »Wren? Und wie noch?«
    »Wren Williams.«
    »Okay, Wren, darf ich Ihnen vielleicht etwas erklären? Hier handelt es sich nicht um Jerrys Geld, sondern um das Geld seiner Mandanten, und solange diese nichts Gegenteiliges äußern, sind seine Mandanten jetzt meine Mandanten. Haben Sie das verstanden? Außerdem habe ich Ihnen bereits gesagt, dass ich mir der emotionalen Belastungen des heutigen Tages und Ihrer tiefen Betroffenheit bewusst bin. Denn Jerrys Tod ist auch mir sehr nahegegangen. Trotzdem müssen Sie sich jetzt sofort entscheiden, ob Sie für oder gegen mich sind, Wren. Denn wenn Sie für mich sind, muss ich Sie bitten, mir die Dinge zu beschaffen, um die ich Sie gebeten habe. Und Sie werden mit meiner Assistentin zusammenarbeiten müssen, sobald sie hier eintrifft. Wenn Sie gegen mich sind, muss ich Sie bitten, auf der Stelle zu gehen.«
    Sie schüttelte langsam den Kopf.
    »Die Detectives haben gesagt, ich soll hierbleiben, bis sie mit ihrer Arbeit fertig sind.«
    »Welche Detectives? Ich habe im Parkhaus nur zwei Streifenpolizisten gesehen.«
    »Die Detectives in Mr. Vincents Büro.«
    »Sie haben …«
    Ich sprach den Satz nicht zu Ende, und hastete um den Empfangstresen herum zu den zwei Türen dahinter. Ich entschied mich für die linke und riss sie auf.
    Ich betrat Jerry Vincents Büro. Es war groß, luxuriös und leer. Ich drehte mich einmal um die eigene Achse, bis ich in die hervorquellenden Augen eines Fischs starrte, der über einem Sideboard aus dunklem Holz neben der Tür hing. Der Fisch hatte einen schönen Grünton mit einem weißen Bauch. Sein Körper war gekrümmt, als wäre er in dem Moment erstarrt, in dem er aus dem Wasser gesprungen war. Sein Maul war so weit aufgerissen, dass ich meine Faust hätte hineinstecken können. Unter dem Fisch war eine Messingplakette angebracht. Darauf stand:
     
    HÄTTE ICH DEN MUND GEHALTEN
    WÄRE ICH NICHT HIER
     
    Wahr gesprochen. Die meisten Angeklagten bringen sich durch unüberlegtes Gerede selbst ins Gefängnis. Daher ist der beste Rat, den ich einem Mandanten geben kann, einfach den Mund zu halten. Reden Sie mit niemandem über Ihren Fall, nicht einmal mit Ihrer Frau. Behalten Sie Ihre Meinung für sich. Beißen Sie in den sauren Apfel, und bleiben Sie am Leben.
    Das unverkennbare Geräusch eines rollenden und dann zuschlagenden Metallschubers ließ mich herumwirbeln. Auf der anderen Seite des Zimmers befanden sich zwei weitere Türen. Beide standen einen Spalt offen, und durch eine blickte ich in eine dunkle Toilette. Durch die andere fiel Licht.
    Rasch schritt ich auf das beleuchtete Zimmer zu und stieß die Tür ganz auf.

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