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So wahr uns Gott helfe

So wahr uns Gott helfe

Titel: So wahr uns Gott helfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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die streikenden Autoren auf dem Rücksitz einer protzigen Limousine sahen, dachten sie, ich sei ein Produzent. Sie stürzten mit ihren Schildern auf den Lincoln zu, der gerade auf das Studiogelände bog, und begannen zu skandieren: »Gieriges Schwein! Gieriges Schwein!« Cisco stieg aufs Gas und preschte einfach zwischen ihnen hindurch, so dass ein paar der glücklosen Schreiberlinge gerade noch den Kotflügeln ausweichen konnten.
    »Vorsicht!«, fuhr ich Cisco an. »Einen arbeitslosen Drehbuchautor zu überfahren würde mir jetzt gerade noch fehlen.«
    »Keine Angst«, erwiderte Cisco ruhig. »Die kneifen doch sowieso immer gleich den Schwanz ein.«
    »Diesmal offensichtlich nicht.«
    Am Pförtnerhäuschen hielt Cisco so, dass sich mein Fenster direkt gegenüber der Tür befand. Ich vergewisserte mich erst, dass uns keiner der Autoren auf das Studiogelände gefolgt war, bevor ich das Fenster nach unten ließ, um mit dem Pförtner zu sprechen. Er trug eine beigefarbene Uniform mit einer dunkelbraunen Krawatte und dazu passende Epauletten. Die Kostümierung wirkte reichlich lächerlich.
    »Kann ich etwas für Sie tun?«
    »Ich bin Walter Elliots Anwalt. Ich habe zwar keinen Termin, muss ihn aber sofort sprechen.«
    »Darf ich Ihren Führerschein sehen?«
    Ich zückte ihn und reichte ihn dem Mann durchs Fenster.
    »Ich vertrete den Anwalt Jerry Vincent. Dieser Name wird Mr. Elliots Sekretärin sicher etwas sagen.«
    Der Pförtner schlenderte zurück in das Häuschen und zog die Tür hinter sich zu. Keine Ahnung, ob er das tat, um die klimatisierte Luft am Entweichen zu hindern oder damit ich nicht hören konnte, was gesprochen wurde. Wie auch immer, schon nach kurzer Zeit schob er die Tür wieder auf und reichte mir das Telefon.
    »Mrs. Albrecht ist Mr. Elliots Chefsekretärin. Sie möchte Sie sprechen.«
    Ich nahm den Hörer entgegen.
    »Hallo?«
    »Mr. Haller? Was soll das? Mr. Elliot hat in dieser Angelegenheit ausschließlich mit Mr. Vincent verhandelt, und ich habe keinen Termin in seinem Kalender vermerkt.«
    In dieser Angelegenheit. Eine merkwürdige Art, über einen Doppelmord zu sprechen.
    »Mrs. Albrecht, darüber möchte ich lieber nicht am Eingangstor sprechen. Es handelt sich hier um eine ziemliche delikate Angelegenheit, um Ihre eigenen Worte zu gebrauchen. Kann ich bitte in Ihr Büro kommen und mit Mr. Elliot persönlich sprechen?«
    Ich drehte mich um und blickte durch das Rückfenster. Hinter meinem Lincoln warteten zwei Autos in der Einfahrt. Es konnten keine Produzenten gewesen sein. Die Autoren hatten sie unbehelligt passieren lassen.
    »Da muss ich leider erst mit Mr. Vincent Rücksprache halten, Mr. Haller. Würden Sie bitte einen Moment warten, damit ich ihn kurz anrufen kann?«
    »Sie werden ihn nicht erreichen.«
    »Einen Anruf von Mr. Elliot wird er bestimmt entgegennehmen, da bin ich mir ganz sicher.«
    »Nein, das wird er ganz sicher nicht, Mrs. Albrecht. Jerry Vincent ist nämlich tot. Deshalb bin ich hier.«
    Ich musterte kurz Ciscos Gesicht im Rückspiegel und zuckte mit den Achseln, als wollte ich mich dafür entschuldigen, dass ich es ihr so brutal beigebracht hatte. Ursprünglich hatte ich vorgehabt, mich durch den Eingang zu mogeln und dann Elliot persönlich die Nachricht vom Tod seines Anwalts zu überbringen.
    »Entschuldigen Sie, Mr. Haller. Aber sagten Sie gerade, Mr. Vincent ist … tot?«
    »Genau das habe ich gesagt. Und ich bin sein gerichtlich bestellter Vertreter. Kann ich jetzt reinkommen?«
    »Ja, natürlich.«
    Ich gab das Telefon zurück, und wenige Sekunden später öffnete sich das Tor.
DREIZEHN
    W ir bekamen einen für die Geschäftsführung reservierten Parkplatz zugewiesen. Ich bat Cisco, im Auto zu warten, während ich alleine losmarschierte, unter meinen Arm die beiden dicken Ordner geklemmt, die Vincent zu dem Fall zusammengestellt hatte. Einer enthielt das Beweisoffenlegungsmaterial, zumindest soweit es die Anklage bisher herausgerückt hatte, darunter die wichtigsten Ermittlungsdokumente und Vernehmungsprotokolle. Im anderen befanden sich sämtliche Dokumente, die Vincent selbst in den letzten fünf Monaten zu dem Fall zusammengetragen hatte. Anhand der zwei Ordner konnte ich recht gut ersehen, was die Anklage in der Hand hatte und was nicht, und welche Richtung der Staatsanwalt beim Prozess einschlagen würde. Es gab noch einiges zu tun, denn der Verteidigung fehlten noch verschiedene Komponenten ihrer Beweisführung und der Prozessstrategie.

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