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So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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sie mit einem Kerl aus der
aldeia
angebändelt hat, und dann kichern sie alle zusammen und finden das Ganze aufregend verdorben.«
    Das war die längste zusammenhängende Ansprache, die Fernando in den letzten Jahren von seinem Vater gehört hatte – und eine der vernünftigsten. War er etwa um diese Zeit noch nüchtern? Obwohl Fernando einsah, dass die Worte seines Vaters nicht einer gewissen Lebensweisheit entbehrten, ärgerten sie ihn. So ein albernes, verwöhntes Geschöpf war Jujú nicht! Er kannte sie, kannte sie so gut und schon so lange, dass er an ihren echten Gefühlen für ihn nicht den geringsten Zweifel hatte.
    »Und eines Tages«, fuhr sein Vater fort, »wird sie einen Mann heiraten, der zu ihr passt, und sie wird sich schämen, dass sie jemals einem Bauern wie dir Zudringlichkeiten erlaubt hat, und dann wird sie dich für ihr eigenes schlechtes Gewissen bestrafen. Sie wird dich behandeln wie einen Hund.«
    Du liebe Güte, was war denn mit seinem Vater los? Das klang ja fast so, als spräche er aus eigener Erfahrung.
    »Wird sie nicht«, stieß Fernando wütend hervor.
    »Wenn sie ihn behandelt wie einen der Jagdhunde ihres Vaters, dann wäre das doch nicht das Schlechteste.« Sebastião klopfte sich auf die Schenkel, aber niemand sonst am Tisch fiel in sein Lachen mit ein. Der 16 -Jährige bemerkte nicht, wie fehl am Platz sein Einwurf gewesen war. »Ha, dann dürftest du Wildschweinkeulen abnagen und ungestraft Kaninchen im Wald jagen. Und dich vor aller Augen von ihr streicheln lassen. Und dich an ihrem Bein reiben.«
    »Still, du Nichtsnutz!«, meldete sich die Mutter zu Wort.
    »Aber ich habe die beiden gesehen, wie sie …«
    »Das reicht.« João bedachte seinen jüngsten Sohn mit einem Blick, aus dem Ungeduld und väterlicher Stolz zugleich sprachen. Der Junge war zu vorlaut, aber ansonsten machte er sich prächtig. Von seinen drei Söhnen war Sebastião derjenige, der seinem Vater am meisten ähnelte.
    »Ich habe es auch gesehen«, kam es leise aus Marias Ecke. Maria da Conceição war das Nesthäkchen und die einzige Tochter der Abrantes’. Alle vergötterten sie. Sie sah aus wie die Madonna auf den Heiligenbildchen, die sie sammelte, und sie benahm sich auch so. Nie erhob sie die Stimme, nie ließ sie sich von den Streichen ihrer älteren Brüder aus der Ruhe bringen, immer half sie der Mutter klaglos bei den Arbeiten im Haus und im Hintergarten. »Das ist eine Sünde, was ihr da macht«, sagte sie nun zu Fernando.
    »Zuzusehen ist auch eine Sünde.«
    »Ich habe es ja nicht mit Absicht getan.«
    »Und ich habe nicht das getan, was du zu sehen geglaubt hast.«
    »Schweig! Deine Schwester ist dreizehn! Was glaubst du wohl, wie viel sie sich eingebildet haben kann, hä? Wenn sie sagt, sie hat euch dabei gesehen, dann wird es wohl so gewesen sein.« João Abrantes rückte geräuschvoll seinen Stuhl vom Tisch ab. »Und ich will nicht, dass sie es noch einmal sieht, verstanden? So, und jetzt an die Arbeit. Fernando, Sebastião, ihr repariert jetzt endlich das Dach. Demnächst regnet es.« Dieser Vorhersage widersprach niemand. Die Wetterprognosen ihres Vaters waren fast immer richtig. »Und Conceição, du hilfst deiner Mutter beim Abwasch.«
    Dieser Aufforderung hätte es nicht bedurft. Das Mädchen war bereits aufgestanden und trug das Geschirr ab. Niemand sollte sehen, wie rot ihr Gesicht angelaufen war. Das derbe Gerede hatte ihr Schamgefühl verletzt – und sie war selber schuld daran. Jetzt tat es ihr leid, dass sie Fernando verraten hatte. Er war doch ihr Lieblingsbruder.
    Nachdem João seine Anweisungen erteilt hatte, nahm er seinen Hut vom Haken im Eingang und verließ ohne ein weiteres Wort das Haus. Alle wussten, wohin es ihn zog.
    Gertrudes Abrantes goss Wasser in die Spülschüssel und hing ihren eigenen Gedanken nach. Wenn Fernando und die kleine Juliana tatsächlich das taten, was alle zu glauben schienen, dann musste sie dringend ein ernstes Wort mit ihrem Sohn reden. Nachher würde er noch Schande über ihre eigene und über die Familie des armen Mädchens bringen, und wohin sollten sie dann gehen? Hier in Milagres hatten sie es gut. Sie bewohnten ein vergleichsweise geräumiges Häuschen mit einem Garten, in dem sie Aprikosen und Melonen, Kartoffeln, Zwiebeln, Karotten, Grünkohl und Tomaten zogen. Auch ein paar Rebstöcke hatten sie. Sie hatten keine Probleme mit dem Verwalter des Patrãos, er gab ihnen immer Arbeit und behandelte sie gerecht. Sie waren alle gesund und

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