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So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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dieser Mann«, fuhr Fernando fort, »nun ein einfacher Handwerker wäre oder ein kleiner Buchhalter – wie würde dir das schmecken? Gar nicht. Vermutlich würdest du sogar plötzlich in deinem heißgeliebten Enkelsohn Eigenschaften erkennen, die du dem unbekannten Mann zuschreibst, und vielleicht würde das deine Liebe schmälern. Laura scheint das erkannt zu haben. Ich an ihrer Stelle würde auch nichts sagen.«
    »Nicht?«
    »Nein.«
    »Da drängt sich mir natürlich die Frage auf, was du mir noch alles verheimlichst, aus reiner Rücksichtnahme auf mein schwaches Rückgrat und meine launenhafte Befähigung zu lieben, versteht sich.«
    Fernando hob eine Augenbraue, erwiderte aber nichts. Jujús Logik entzog sich seinem Verständnis. Hatten sie nicht gerade über Laura und deren Verschlossenheit geredet? Wie kam es, dass Jujú so plötzlich von dem eigentlichen Thema ihres Gesprächs abgeschwenkt war und jetzt ihm Heimlichtuerei unterstellte?
    Jujú sah ihn durchdringend an, als könne sie ihn mit ihrem Blick zu einer Antwort zwingen, doch er blieb stumm. Wenn sie in dieser Stimmung war, in der sie irgendeinen Sündenbock für all das brauchte, was ihr ihrer Meinung nach an Ungerechtigkeit widerfuhr, würde ihm ohnehin jedes Wort im Munde umgedreht werden.
    Das Jauchzen, das sie plötzlich aus dem Nebenzimmer vernahmen, enthob Fernando einer Antwort. Zum ersten Mal war er froh darüber, dass dieses Kind hier war. Sonst störte es Fernando – auch wenn der Junge friedlich und stundenlang allein vor sich hin spielen konnte, so kam es Fernando doch immer so vor, als hätten er und Jujú Zeugen. Das Kind zerstörte ihre schöne Zweisamkeit. Jujú hatte anfangs versucht, ihn davon zu überzeugen, dass ihr Enkelsohn eine Art Wunderkind war. Sie hatte ihn, Fernando, den Inbegriff des Kinderschrecks, dazu veranlassen wollen, sich mehr mit dem Kleinen zu beschäftigen, weil sie meinte, dass dessen außergewöhnliche Intelligenz ihn bekehren würde. Aber dachten nicht alle Leute, dass ihre Nachkommen einzigartig waren? Nein, er hatte sich gesträubt, und irgendwann hatte Jujú ihn auch nicht mehr gedrängt, sich mit dem Kind abzugeben.
    »Er baut Flugzeuge«, kommentierte Jujú und merkte erst dann, dass sie das besser nicht gesagt hätte. Nachher brachte es Fernando noch auf komische Ideen.
    »Wenn die den ›Flugzeugen‹ ähneln, die mein Sohn Alberto in dem Alter gebaut hat, dann wird es sich nur um ein plumpes Wurfgeschoss handeln, mit dem er seine Kraft erprobt. Wahrscheinlich hat er sich gerade über einen Treffer gefreut. Bestimmt hat er irgendetwas damit umgeworfen.«
    »Du bist so zynisch geworden.«
    So, da waren sie wieder bei ihrem Lieblingsthema. Fernando hatte nicht vor, sich darauf einzulassen. Wenn sie seine realistische Sicht der Dinge als Zynismus begriff, bitte sehr.
    Sie drehten sich im Kreis, wie so oft in letzter Zeit. Gespräche, die einen nicht voranbrachten, sondern immer wieder ergebnislos zum Ausgangspunkt zurückkamen, verabscheute er.
    »Ich muss jetzt gehen,
meu coração

    »Ja,
mein Herz
, ich weiß. Du musst immer dann gehen, wenn ich über uns reden will.«
    Sehr richtig, dachte Fernando. Was gab es da auch groß zu sagen?
    »Unsinn. Ich muss gehen, weil ich um drei Uhr eine wichtige Besprechung habe. Und ich muss mich sputen, wenn ich noch pünktlich sein will.« Er stand auf, legte den Arm um Jujú und wollte sie zu einem Kuss an sich heranziehen. Aber sie entwand sich ihm.
    »Na, warum so kratzbürstig?«
    Warum wohl? Jujú wunderte sich über die Ignoranz, die aus dieser Frage sprach. Tat er nur so? Ach, was machte es schon. Eigentlich konnte sie froh sein, wenn er jetzt ging und ihr Gelegenheit gab, sich intensiv mit ihrem Enkel zu beschäftigen, von dem nun immer mehr entzückte Schreie zu hören waren.
    Fernando schmunzelte darüber. »Du musst dich ja jetzt auch um wichtigere Dinge kümmern als um deinen alternden Liebhaber, nicht wahr?« Erneut umfasste er ihre Taille und zog sie zu sich heran. Diesmal ließ Jujú es geschehen. Ihr Abschiedskuss war schön.
    Als Fernando fort war, ging sie in das alte Zimmer von Laura, das sie in ein richtiges Kinderparadies verwandelt hatte, mit Bergen von Spielsachen, mit bunten Tapeten und noch bunteren Bildern, mit Möbeln im Miniaturformat, mit weichen, krabbeltauglichen Teppichen sowie mit putzigen Lampen, Spieldosen und anderem kitschigen Firlefanz. Ihre eigenen Kinder hatten nie ein solches Zimmer bewohnen dürfen.
    Der Kleine ließ

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