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So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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sollten sie reden? Wie sollte sie seiner Frau gegenübertreten? Wie würde João Carlos mit der Situation umgehen? Würde ihm dieses Treffen, bei dem alle außer ihm über fünfzig waren, nicht den Altersunterschied allzu deutlich spüren lassen? Was sollte sie anziehen? Herrje, es war eine Schnapsidee! Es hatte sich zu viel geändert in einunddreißig Jahren. Sie waren nicht mehr dieselben. Und es gab nichts, was sie noch verband. Außer einem Sohn.
    Als Laura den Brief von Jack erhalten hatte, in dem er seinen und Elsas Besuch in Lissabon ankündigte, war sie im ersten Moment froh und aufgeregt und überwältigt gewesen von der Aussicht, den Mann wiederzusehen, den sie jahrelang – bevor sie João Carlos begegnet war – für die große Liebe ihres Lebens gehalten hatte. Das war ein paar Wochen her. Jetzt war Laura sich gar nicht mehr sicher, ob dieser Besuch klug war.
Wir machen eine große Europa-Reise: Portugal, Spanien, Frankreich, Italien, Schweiz, Deutschland. Von da fliegen wir nach Israel, dort besuchen wir meine Schwester und Verwandte von Elsa.
Nur einige Tage würden sie in Lissabon bleiben können, schrieb er, dann Ricardo im Alentejo besuchen. Er hoffe, sie sei in der fraglichen Zeit in der Stadt und habe Lust, etwas mit ihm und Elsa zu unternehmen. Er freue sich sehr darauf, sie nach so langer Zeit wiedersehen zu können.
    Das, dachte Laura, hätte er auch jeder entfernten Bekannten schreiben können. Aber gut, mehr waren sie ja eigentlich nicht mehr. Seit zwanzig Jahren bekam sie jedes Jahr eine Postkarte von ihm – wie praktisch, dass ihr Geburtstag auf Weihnachten fiel, da brauchte er nicht zweimal im Jahr einen Gruß zu schicken. Ebenso lange hatte sie ihm nichtssagende Karten geschrieben. Sie kannte Jack gar nicht mehr. Und was er über sie wusste, konnte nur das sein, was ihm Ricardo erzählt hatte. Angesichts der unterentwickelten Auskunftsfreude ihres Sohnes gab das Laura Anlass zu der Hoffnung, dass Jack überhaupt nichts über sie wusste.
    João Carlos hingegen schien sich vorbehaltlos auf den anstehenden Besuch zu freuen. »Jack Waizman! Phantastisch! Und diese Geschichte, du und er, anno 1940 in Lissabon – einfach unglaublich. Dann das große Wiedersehen, mehr als dreißig Jahre später. Wenn ich Schriftsteller wäre, würde ich diesen Stoff zu einem Roman verarbeiten.«
    Laura reagierte darauf äußerst ungehalten. »Weißt du, ich habe nicht die geringste Lust, dass du diesen Besuch mit dem Blick eines Forschers betrachtest, der unter der Lupe kopulierende Ameisen studiert oder so. Es ist kein Film. Und kein Roman. Und wir sind nicht irgendwelche alten Leute, die aberwitzige Geschichten erlebt haben, die dir und deiner Generation eine Ewigkeit entfernt scheinen. Das ist echt, João Carlos Carneiro. Und ich will es mir nicht von deiner hollywoodverdorbenen Sichtweise kaputtmachen lassen. Ich glaube deshalb, dass es besser ist, wenn Jack und ich uns erst einmal unter vier Augen sehen.«
    »Natürlich, Schatz. Das glaube ich auch.«
    So etwas tat er andauernd. Ihr den Wind aus den Segeln nehmen. Dafür liebte sie ihn – auch wenn sie es ihn in diesem Moment auf keinen Fall spüren lassen wollte.
    »Wenn du wenigstens den Anstand hättest, so zu tun, als wärst du nur ein klitzekleines bisschen eifersüchtig auf diesen Verflossenen, der da plötzlich wie aus dem Nichts auftaucht, der noch dazu der Vater meines …«
    »Ich vergehe vor Eifersucht,
amor
. Und jetzt komm wieder ins Bett.« João Carlos packte Lauras Hand und zog sie zu sich hinab auf die weißen Laken, die zerwühlt waren und die nur seine Schienbeine bedeckten.
    Auch das gefiel ihr an ihm. Er war vollkommen frei von falscher Scham und Prüderie, er kannte die Frauen, und er war jung genug, um weder Erektionsstörungen noch auch nur die Angst davor, die beinahe noch lähmender war, zu kennen. Er hatte einen wunderbaren Körper und wusste ihn gut einzusetzen. Und er hatte einen schönen Geist, den er ebenfalls gut und gezielt zu gebrauchen wusste. Manchmal brachte er sie allein durch die Dinge, die er sagte, in Wallung. Er war der beste Liebhaber, den sie je gehabt hatte.
    Was er umgekehrt an ihr finden mochte, die dreizehn Jahre älter war als er, wusste sie nicht so genau. Sie wurde aber den Verdacht nicht los, dass, wenn sie erst mit Jack über alte Zeiten sprach, João Carlos sie mit anderen Augen sehen würde. Sie wäre dann nicht mehr die gut aussehende, moderne, aufgeschlossene, unabhängige
junge
Frau für

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