So weit der Wind uns trägt
Reise in die USA ermöglicht hast.«
»Oh, aber … das habe ich nicht. Obwohl ich es ihm weiß Gott oft genug angeboten habe. Ich dachte immer, du hättest ihn eingeladen und wärst für die Reisekosten und die Ausbildung aufgekommen.«
Ein paar Sekunden starrten sie einander ratlos an.
Dann polterte Jack in seiner pseudo-optimistischen Art weiter: »Na, vielleicht hat er noch einen alten Laura Lisboa gehabt und verkauft.«
»Einen
alten Lisboa?
Solche Schätze lässt man ja üblicherweise nicht auf dem Dachboden verstauben.« João Carlos wirkte leicht indigniert.
Jack sah Laura traurig an. Er begriff, dass sie auch ihrem derzeitigen Partner nicht verraten hatte, wer hinter Laura Lisboa steckte.
»Was ist mit ihr passiert?«, fragte Jack.
»Sie ist gestorben.«
»Oh, das tut mir leid. Wann war das?«
»Ach, schon vor Jahren. Bald nach Felipes Verhaftung. Es war, als wären keine Farben mehr in ihr.«
»Und, äh, hat die Öffentlichkeit nach ihrem Tod die wahre Identität der Künstlerin erfahren?«
»Nein, sie wurde in aller Stille beigesetzt. Es waren nur der Galerist und ich dabei.«
»Du hast mir nie erzählt, dass du Laura Lisboa kanntest«, beschwerte sich João Carlos. »Sehr gut kanntest, wie es scheint. Du musst mir bei Gelegenheit unbedingt mehr von ihr erzählen – ich bewundere ihre Werke. Hast du noch alte Arbeiten von ihr? Sie müssen ein Vermögen wert sein.«
Elsa, die die ganze Zeit über geschwiegen hatte, sah João Carlos aus ihrem Rollstuhl heraus mitleidig an.
»Ja«, erwiderte Laura, »sie war eine alte Freundin. Deshalb kann es in der Tat gut möglich sein, dass Ricardo die eine oder andere Arbeit von ihr hatte oder hat. Sie hat ihn früher oft gezeichnet.«
»Jacks Sohn«, richtete sich nun Elsa an João Carlos, »war ein entzückendes Kind. Ich habe Fotos gesehen. Er war sicher ein sehr gutes Modell.«
»Ich habe ihn
in natura
gesehen, und ich darf Ihnen ausnahmsweise recht geben – Ricardo war ein bezauberndes Kind.« Laura war fassungslos über die Dreistigkeit dieser Frau. Glaubte sie etwa, dass Ricardo irgendwie weniger Lauras und mehr zu ihrem eigenen Spross würde, wenn sie ihn so impertinent »Jacks Sohn« nannte? Laura war heilfroh, dass sie eine Zusammenführung von Vater und Sohn in Ricardos Kindheit immer hatte verhindern können. Er hatte schon zur falschen Frau »Oma« gesagt. Die Vorstellung, dass er auch noch die falsche Frau »mãe« genannt hätte, ließ sie vor Wut zittern.
João Carlos legte den Arm um Lauras Schultern. »Also ich finde«, sagte er, mehr in ihr Ohr als in die Runde, »dass dein Sohn auch als Erwachsener ziemlich gut aussieht.« Instinktiv hatte er die feindseligen Schwingungen zwischen den beiden Frauen erfasst. Laura liebte ihn in diesem Moment mehr als je zuvor. Welcher Mann war schon in der Lage, sich in solches Gezicke hineinzuversetzen?
»Muss er von mir haben«, grinste Jack, und ganz kurz blitzte da ein wenig von dem alten Jakob durch.
»Klar«, dabei zwinkerte Laura ihm zu, »von wem sonst?«
Damit war das Eis gebrochen, und der weitere Verlauf des Abends blieb frei von solchen atmosphärischen Störungen. Jack und Elsa erzählten, wie schwierig es war, mit Rollstuhl zu reisen, und dass gerade Lissabon trotz der vielen steilen Gassen vergleichsweise einfach zu bewältigen sei, dank seiner Aufzüge, die einen von der Unter- in die Oberstadt beförderten. Sie berichteten aufgeregt von ihren Plänen, was sie alles besichtigen und wen sie alles besuchen wollten. Sie freuten sich wie Kinder auf die Aussicht, bald in Rom zu sein, das sie beide nicht kannten, und sie löcherten Laura mit Fragen zu der Stadt, ihren Bewohnern sowie guten Adressen. Leider, antwortete diese, sei sie keine große Hilfe – es war eine Ewigkeit her, dass sie zuletzt nach Rom gereist sei. João Carlos konnte etwas mehr zu Italien und auch zu Spanien beitragen, und es entspann sich ein anregendes Gespräch über die Entwicklung Europas, die Wirtschaftsgemeinschaft und die kulturelle Vielfalt auf so begrenztem Raum.
Es wurde noch ein schöner Abend. Dennoch hörten Laura und Elsa nie auf, einander misstrauisch zu beäugen, auch nicht, als João Carlos und Jack längst Brüderschaft getrunken hatten. Als die Gäste gingen, nachts um eins, legte sich auf Lauras und João Carlos’ feuchtfröhliche Gemütsverfassung eine sonderbare Katerstimmung, wie ein feuchter Nebel, der das Licht verschwimmen lässt. Mit den Waizmans war auch der Anlass für das
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