So weit der Wind uns traegt
nicht vor dem Abendessen.“
Robert und er verließen das Büro und unterhielten sich kameradschaftlich.
Die jungen Leute scheinen Robert zu mögen, dachte Evie und sah den beiden aus dem Fenster nach. Sogar die schüchterne Paige fühlte sich in seiner Gegenwart wohl. Sie selber dagegen musste den Mann zu ihrem eigenen Schutz auf Abstand halten, und sie war nicht sicher, ob es ihr auf Dauer gelang. Sie könnte sich in ihn verlieben, und dieser Gedanke machte ihr Angst.
Robert wollte nur einen Sommer bleiben. Das hieß, er war auf eine bequeme Affäre während der langen, einsamen Wochen aus. Im Herbst würde er zu seinem wirklichen Leben zurückkehren, und sie, Evie, bliebe mit einer weiteren Wunde im Herzen allein. Das konnte sie sich seelisch nicht leisten.
Auf der Marina waren ständig Dutzende von Dingen zu tun. Doch im Moment fiel ihr nichts ein. Sie war völlig durcheinander. Ihr war, als wäre ihr ganzes Leben umgekrempelt worden. Vielleicht traf das sogar zu.
Um sich zu beschäftigen, rief sie das Krankenhaus an und ließ sich mit Jasons Zimmer verbinden. Ihre Schwester war nach dem ersten Läuten am Apparat.
„Jason ist mürrisch und hat schreckliche Kopfschmerzen“, erzählte Rebecca. „Wenn keine Komplikationen eintreten, darf er morgen nach Hause. Und was ist mit dir? Hast du dich wieder beruhigt?“
„Noch nicht ganz“, antwortete Evie aufrichtig, auch wenn Jasons Unfall nicht der Grund für ihre Nervosität war. „Zumindest zittere ich nicht mehr.“
„Du bist doch zu Hause, nicht wahr?“
„Du solltest mich besser kennen.“
„Ich hatte gehofft, Mr. Cannon würde sich um dich kümmern. Mir schien, er ist sehr gut im Befehlen.“
„Ein Weltmeister“, stimmte Evie ihrer Schwester zu. „Ichbesuche Jason, sobald die Marina geschlossen ist. Soll ich dir etwas mitbringen? Ein Buch oder einen Hamburger?“
„Nein, danke. Ich habe alles. Komm nicht her, Evie. Jason geht es gut, und du brauchst deine Ruhe. Ich meine es ernst.“
„Mir geht es ebenfalls gut“, antwortete Evie. „Ich möchte Jason gern sehen, und sei es nur für einige Minuten …“ Überrascht schrie sie auf, denn Robert nahm ihr den Hörer aus der Hand.
„Mrs. Wood? Hier ist Robert Cannon. Ich werde dafür sorgen, dass sie direkt nach Hause fährt. Ja, sie ist immer noch ein bisschen wackelig auf den Beinen.“
„Das stimmt nicht!“, rief Evie und sah ihn wütend an. Er streckte die Hand aus und streichelte zärtlich ihre Wange. Rasch floh sie aus seiner Reichweite.
„Ich kümmere mich um sie“, versicherte Robert ihrer Schwester und ließ Evie nicht aus den Augen. „Genauer gesagt, ich werde sie erst zum Essen einladen und anschließend heimfahren … Ja, das glaube ich auch. Gute Nacht.“
„Ich kann es nicht leiden, wenn man mich wie ein hilfloses Kind behandelt“, erklärte Evie kühl, nachdem er den Hörer aufgelegt hatte. „Wahrscheinlich bildest du dir ein, dass ich mich sicherer fühle, wenn du die Fäden in die Hand nimmst und die Entscheidungen für mich triffst. Das ist aber nicht der Fall. Es ärgert mich.“
Robert zog eine Braue in die Höhe, um seine wahren Gefühle zu verbergen. Er hatte tatsächlich den Beschützer spielen wollen und war unangenehm überrascht, dass Evie ihn schon wieder durchschaut hatte. Sie war ganz schön klug. „Ich glaube, dass du in einer größeren Gefahr warst, als deine Schwester wissen soll, und immer noch zittrig bist.“
„Und ich glaube, dass mir von dir weit mehr Gefahr droht als jemals vom Wasser“, antwortete sie und ballte die Hände zu Fäusten.
Erneut erschrak Robert über ihren Scharfsinn. Doch er war sicher, dass er ihre unbeugsame Haltung mildern konnte. „Auch wenn ich dir für heute Abend einen Waffenstillstand anbiete?“, schmeichelte er. „Wenn ich verspreche, dich nicht zu küssen, nicht einmal Händchen mit dir zu halten? Wir essen gemeinsam, und anschließend bringe ich dich nach Hause, damit du ausschlafen kannst.“
„Nein, danke. Ich esse nicht mit dir zu Abend. Und ich kann allein nach Hause fahren.“
Er betrachtete sie nachdenklich. „Dann ziehe ich mein Waffenstillstandsangebot zurück.“
Seine Stimme klang so ruhig, dass Evie die Bedeutung seiner Worte zu spät erkannte. Im nächsten Moment hatte Robert sie an sich gezogen, und sie war ihm hilflos ausgeliefert. Sein Körper war stahlhart und unnachgiebig. Ihr schwindelte beinahe vom Moschusduft seiner warmen Haut. Benommen sah sie zu, wie er den Kopf zu ihr
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