So weit der Wind uns traegt
wie er das sinnliche Geschöpf in seinem Arm behandeln musste? Nein, natürlich nicht. Welcher Teenager konnte das schon. Trotzdem empfand er eine Art Eifersucht. Evie hatte den jungen Mann so geliebt, dass sie nach all den Jahren noch seinen Ring trug.
Er hörte, wie die Dusche abgestellt wurde. Rasch tat er das Foto zurück und trat auf die Terrasse. Es war ein hübsches Plätzchen, nicht extravagant, sondern gemütlich und verborgen. Nur auf der anderen Seite des Sees waren einige Häuser zu erkennen. Das Wasser glänzte dunkelblau und spiegelte die grünen Bäume und den Himmel.
Inzwischen war es Spätnachmittag geworden. Die Sonne stand schon niedrig, schien aber noch gleißend hell. Bald würde sie rötlich werden, und der schwere Duft des dichten Grüns würde sich verstärken. Erst wenn der Himmel sich purpurn färbte, würden sie von der Hitze erlöst werden. Dann roch die Luft nach Geißblatt und Rosen, Kiefern und frisch gemähtem Gras.
Robert merkte, dass Evie an die offene Tür trat. „Ich bin fertig“, sagte sie.
Er drehte sich um und betrachtete sie. Ihr frisch gewaschenes Haar war noch feucht. Sie hatte es geflochten und den Zopf aufgesteckt, damit ihre Kleidung nicht nass wurde. Sie trug jetzt Jeans und ein rotes T-Shirt, das ihre goldbraune Haut zumGlühen brachte. Ihre Wangen waren immer noch blass, und ihre Miene war angespannt.
„Sie haben ein hübsches Haus“, sagte er.
„Danke. Ich habe es von meinen Schwiegereltern geerbt.“
Obwohl er die Antwort kannte, musste er die Frage stellen. Es wäre merkwürdig gewesen, wenn er es nicht getan hätte. „Sie sind verheiratet?“
„Ich bin Witwe.“ Evie wandte sich ab und kehrte ins Haus zurück. Robert folgte ihr.
„Das tut mir sehr leid. Wie lange schon?“
„Seit zwölf Jahren.“
„Ich habe das Foto auf Ihrem Schreibtisch gesehen. Ist das Ihr Mann?“
„Ja, das ist Matt.“ Evie blieb stehen und betrachtete das Bild. Eine unendliche Trauer überzog ihr Gesicht. „Wir waren noch halbe Kinder.“ Plötzlich riss sie sich zusammen und eilte zur Tür. „Ich muss zur Marina zurück.“
„Mein Haus ist nur fünf Meilen entfernt“, sagte Robert. „Es würde nicht lange dauern, bis ich geduscht und mich umgezogen habe.“
Seine Sachen waren inzwischen fast trocken. Trotzdem war Evie sicher, dass er sich darin nicht wohlfühlte. Sie überlegte hin und her. Robert hatte nicht nur Jasons Leben gerettet, sondern wahrscheinlich auch ihres. Außerdem war er sehr fürsorglich gewesen. Deshalb willigte sie ein und hatte auch nichts dagegen, dass er erneut das Steuer übernahm.
Als er in die Einfahrt zu seinem neuen Haus bog, sah sie überrascht auf. „Dieses Haus stand beinahe ein Jahr leer“, erklärte sie.
„Dann habe ich ja Glück gehabt, dass niemand mitgeboten hat“, meinte Robert. Er stieg aus, ging um den Wagen herum und öffnete Evie die Tür. Vor ihrem eigenen Haus hätte sie so etwas niemals zugelassen, wenn es ihr gelungen wäre,vor ihm draußen zu sein. Er hatte den starken Verdacht, dass sie am liebsten ins Haus gestürzt wäre und ihn ausgesperrt hätte. Jetzt wartete sie hoheitsvoll, als wäre es die normalste Geste der Welt. Zwar trug sie Jeans, Leinenschuhe und ein T-Shirt, aber das änderte nichts an ihrer Weiblichkeit. Dieses typische Verhalten der Frauen in den Südstaaten war ausgesprochen reizend.
Robert dachte einen Moment über das winzige Signal nach und führte Evie ins Haus. Sie war immer noch argwöhnisch, doch ihr Widerstand ließ allmählich nach. Seine Erregung wuchs, aber er unterdrückte sie energisch. Noch war der richtige Zeitpunkt nicht gekommen.
„Fühlen Sie sich wie zu Hause, während ich kurz dusche“, forderte er Evie auf und ging ins Schlafzimmer. Er bezweifelte nicht, dass sie die Gelegenheit ebenfalls nutzen und sich ein bisschen umsehen würde.
Evie stand in der Mitte des Wohnzimmers und war viel zu nervös, um sich hier „wie zu Hause zu fühlen“. Roberts neues Haus war ein modernes, einstöckiges Gebäude. Es bestand aus Backstein und Rotholz und war mindestens dreimal so groß wie ihres. Ein gewaltiger Kamin beherrschte die linke Wand. Zwei weiße Ventilatoren sorgten für einen leichten Luftzug. Die Möbel waren elegant, aber bequem, und passten zu einem Mann von Roberts Größe.
Ein taillenhohes Blumenregal mit üppigem Farn trennte das Wohnzimmer vom Esszimmer. Durch die hohe Doppeltür gelangte man auf eine Terrasse mit bequemen Stühlen, einem Tisch mit Sonnenschirm
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