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So weit die Hoffnung trägt - Roman

So weit die Hoffnung trägt - Roman

Titel: So weit die Hoffnung trägt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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vor Einsamkeit. Ich war froh, als ich endlich einschlief.

Siebzehntes Kapitel
    Man kann einen Menschen nicht nach der Stadt beurteilen, aus der er kommt, ebenso wenig, wie man ein Buch nach dem Laden beurteilen kann, der es verkauft hat. Und doch tun wir es.
    A LAN C HRISTOFFERSENS T AGEBUCH
    In den nächsten vier Tagen legte ich die Strecke von Sioux Falls nach Sioux City zurück, auf der es kaum etwas Erwähnenswertes gab. Hinter Sioux City war mein nächstes größeres Ziel St. Joseph, das etwa 225 Meilen weit entfernt war. Bei meinem gegenwärtigen Tempo würde ich es in zehn Tagen schaffen.
    Der Freeway, der aus Sioux City führte, war zu stark befahren und zu schmal, um gefahrlos an ihm entlangzugehen, daher folgte ich dem Floyd River, der mit seinem sandigen Ufer sehr schön war.
    Grenzen zwischen Bundesstaaten kreuzten immer wieder meinen Weg aus der Stadt, und den Großteil des Tages war ich mir nicht sicher, ob ich in Iowa oder Nebraska war. Ich hätte das Rätsel mit einem Blick auf meine Karte lösen können, aber eigentlich spielte es keine Rolle. Ich wusste, dass ich auf dem richtigen Weg war, und unterm Strich war das alles, was zählte.
    In den nächsten sieben Tagen folgte ich der I -29 nach Süden. Die Straße verlief hauptsächlich durch Iowa, auch wenn sie hin und wieder, wie zum Beispiel in Omaha, die Grenze nach Nebraska überquerte.
    Dieser Teil des Landes erschien mir alt und gut, was sich vielleicht in dem widerspiegelt, wofür die Gegend berühmt ist. West-Iowa haben wir Donna Reed zu verdanken (Jimmy Stewarts pflegeleichte Frau in Ist das Leben nicht schön? ), den großartigen Orchesterchef Glenn Miller und den Sänger Andy Williams, der mit »Moon River« berühmt wurde – einem Song, den ich nur deshalb kannte, weil wir ihn in der zweiten Klasse in Miss Rossis Unterricht auf unseren Kassettenrekordern aufnahmen.
    Der Beitrag dieser Region zum amerikanischen Kulturtiegel beschränkte sich jedoch nicht nur auf Schauspieler und Musiker. Eine der Städte, durch die ich kam, war Onawa, wo der Eskimo Pie, ein Vanilleeis am Stiel mit Schokoladenüberzug, seinen Ursprung hat. Erfunden wurde dieses Eis von einem dänischen Einwanderer namens Christian Kent Nelson, einem Schullehrer und Besitzer eines Süßwarenladens. ( Eine herrlich passende Kombination , dachte ich.) Die Idee für den Eskimo Pie kam Nelson im Jahr 1920, als ein Kind in seinem Laden sich nicht zwischen Eis oder Schokoriegel entscheiden konnte. Letztendlich ließ er das Eis patentieren und schloss einen Vertrag mit Russell C. Stover, dem großen Süßwarenhersteller, um die tiefgefrorene Leckerei unter dem Namen Eskimo Pie zu vermarkten. Auf dem Höhepunkt ihrer Beliebtheit wurden täglich über eine Million Eskimo Pies in Amerika verkauft. Das ist das Zeug, aus dem der amerikanische Traum ist.
    Während ich hier unterwegs war, hatte ich das Gefühl, eine Seite von Amerika zu entdecken, die den Medien bislang entgangen war oder die sie zumindest ignorierten und als bedeutungslos abtaten. Wie ich im Verlauf der nächsten Wochen feststellen sollte, sind diese kleinen Städte Pulverfässerfür einige der größten Leute und Ideen der Welt. Bewohner von Metropolen sehen auf Leute in kleineren Orten gern herab, trotz all der Nachteile einer Großstadt. Zum Beispiel erzählte mir einmal einer meiner Angestellter aus Brooklyn, wie sein Fahrlehrer während der Theoriestunden erwähnte, dass ihr Stadtbezirk die höchsten Kfz-Versicherungsprämien des Landes vorweisen könnte, weil es dort so viele Autodiebstähle gäbe – und selbst dieser Rekord war für einige der Fahrschüler Anlass zu Jubel. So dumm diese Einstellung auch ist, halte ich sie doch für sehr typisch. Die Leute klammern sich gern an alles Mögliche, um sich überlegen zu fühlen – egal, ob es ein Markenname, ein Footballteam oder auch nur ein Wohnort ist.
    In diesen Tagen fiel mir das Gehen leicht. Ich kam an großen, aufgeräumten Feldern und üppigen Landschaften voller blühender Fliederbüsche vorbei, was immer ein angenehmer (und oft sogar idyllischer) Anblick ist.
    Fünfzig Meilen hinter Omaha erreichte ich Sidney, Iowa, die selbst erklärte »Rodeo Town, USA «. Sidney ist eine nette kleine Stadt mit einem Friseursalon, einem Café und zwei Anwaltskanzleien, was mir übertrieben viel zu sein schien, bis ich an eine Geschichte denken musste, die mir mein Vater einmal erzählt hatte – von einer Stadt, in der es nur einen Anwalt gab, der fast am Verhungern

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