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So weit die Wolken ziehen

So weit die Wolken ziehen

Titel: So weit die Wolken ziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Fährmann
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es Widerspruch.
    »Die gehört doch gar nicht richtig zu uns«, wandte Erika Marvink ein.
    »Ich denke, wir wollen gewinnen? Oder gibt es in unserem Haus eine schnellere Läuferin als die Zarski?«
    »Die Erika ist besser«, sagte Irmgard.
    »Die ist ja auch als erste von euch gewählt worden.«
    Weil keine anderen Namen genannt wurden, stimmten die Mädchen schließlich zu. Die Strecke wurde abgesteckt. Käthe Malik achtete darauf, dass sie nicht zu schwierig war. Es war ausgemacht worden, dass jeweils zwei Kinder, eines aus dem Dorf und eines aus dem Lager, gegeneinander fahren sollten. War ein Kind im Ziel, durfte das nächste aus seiner Staffel starten. Gewinner sollte die Staffel sein, deren fünftes Mitglied als erstes die Ziellinie überquerte. Die Einheimischen lachten zwar über die Rennstrecke, waren aber einverstanden. Pater Lukas fuhr zum Ziel. Er sollte Schiedsrichter sein.
    Schon beim ersten Paar zeigte sich, dass die Lagerkinder es schwer haben würden, und nach dem dritten Paar lagen die Schülerinnen schon weit zurück. Erika Marvink startete als vierte. Sie fuhr zwar gut, aber es war schon nach der Hälfte der Strecke klar, dass sie den Jungen aus dem Dorf nicht einholen würde. Der raste tollkühn den Hang hinunter auf das Ziel zu. Doch er hatte zu viel gewagt, verlor plötzlich für einen Augenblick das Gleichgewicht und wäre fast gestürzt. Erika kam näher, konnte den Jungen aber nicht ganz einholen.
    Ruth war die letzte Läuferin der Staffel. Das Mädchen, gegen das sie antreten sollte, war einen Kopf größer als sie. Sie war bei Weitem die beste Skiläuferin der Einheimischen. Sie fuhren los. Schon vom Start weg lag Ruth zwei, drei Meter zurück. Sie hörte das Geschrei der Mädchen, die sie wild anfeuerten. Ruth sauste den Hang hinunter. Noch nie war sie so schnell gefahren. Ihre Gegnerin verteidigte jedoch einen kleinen Vorsprung bis ins Ziel. Ruth ließ sich enttäuscht in den Schnee fallen und schlug die Hände vors Gesicht. Ich hab’s versiebt, dachte sie.
    Die Mädchen liefen zu ihr und stellten sich im Kreis um sie herum. Auch Pater Lukas und Frau Malik kamen dazu. Jetzt werden sie über mich herfallen, befürchtete Ruth. Aber die LMF nahm ihr die Hände vom Gesicht und zog sie hoch. Ruth wagte nicht aufzublicken.
    »Schau nicht so verbiestert«, sagte Käthe Malik. »Du bist gefahren wie der Teufel.«
    »Na, na«, widersprach der Pater. »Sie ist gefahren, als ob ein Engel ihr seine Flügel geliehen hätte.«
    Viele Kinder gratulierten ihr zu der tollen Fahrt. Andere aber maulten: »Wir hätten doch eine andere auswählen sollen.«
    Käthe Malik sagte zu ihr: »Ab morgen darfst du auf Skiern zur Schule fahren.«
    Am Nikolausabend herrschte im Tannenhaus große Aufregung. Vom Quellenhof war herübergedrungen, dass der Nikolaus kommen sollte, aber vorher würde der Krampus auftauchen. Nun hatte ja auch in der Heimat der Nikolaus meist einen schwarzen Gesellen bei sich, den Knecht Ruprecht. Aber der rasselte nur mit einer Kette. Der Nikolaus konnte ihn mit einer Handbewegung in die Schranken weisen. Von dem Krampus aber wurde erzählt, er sähe schrecklich aus und schlüge wild auf die Mädchen ein. Er sei ein Höllensohn. Sicher, der Nikolaus betrete später auch die Stube, doch er könne den wüsten Gesellen kaum bändigen. Frau Krase hätte am liebsten die Haustür verriegelt und den faulen Zauber, wie sie sagte, ausgeschlossen. Aber damit waren Käthe Malik und auch Frau Hirzel nicht einverstanden. Die Hauswirtin bestand darauf, der Nikolausabend müsse gefeiert werden, wie jedes Jahr. Das sei in Österreich Brauch, solange man denken könne. Die Fremden hätten sich danach zu richten.
    Käthe Malik bestätigte das ausdrücklich: »Aber bei uns sagt man in der Ostmark, Frau Hirzel. Österreich ist heimgekehrt ins Reich.«
    Frau Hirzel knurrte: »Richtig. Im Augenblick müssen wir ja in der Ostmark sagen.«
    »Der Augenblick wird tausend Jahre dauern, Frau Hirzel. Das hat der Führer versichert. Das Tausendjährige Reich.«
    Frau Hirzel ließ es dabei bewenden.
    Das Abendessen verlief zunächst ruhig wie immer. Während der Mahlzeiten war es verboten, laut zu sprechen. Frau Hirzel hatte zur Feier des Tages für jedes Kind drei Plätzchen und einen Bratapfel mit Vanillesoße auftragen lassen. Auch gab es nicht wie sonst das schwere graue Brot, sondern frisch gebackene Weißbrotscheiben, dick mit Butter und einer köstlichen Erdbeermarmelade bestrichen. Dazu hatte sie süßen Kakao

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