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So weit die Wolken ziehen

So weit die Wolken ziehen

Titel: So weit die Wolken ziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Fährmann
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auf.« Die Blaskapelle spielte Heißa, Kathreinerle, schnür dir die Schuh.
    »Soll mir noch einer erzählen, die Österreicher hätten keinen Humor«, sagte Frau Zarski.
    Auch Lydias und Annas Mutter war gekommen. Aber was für die beiden Mädchen eine große Überraschung war: Auch ihre Oma Lydia hatte sich mit auf die weite Reise gemacht.
    »Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie ein richtiges Gebirge gesehen«, hatte sie gesagt. »Das ist doch eine gute Gelegenheit, mit eigenen Augen ein Stück von der Welt betrachten zu können. Ich bin dabei.«
    Ein paar Kinder warteten vergebens auf Besuch. Sie trotteten schweigend hinter den anderen her, mit hängenden Schultern, den Kopf gesenkt. Als Frau Krase die Gruppe sah, blieb auch sie zurück.
    »Wisst ihr«, sagte sie, »die Gäste haben bestimmt von euren Lieben einen Brief oder ein Päckchen für euch mitgebracht. Es gibt viele Gründe, warum es euren Eltern nicht möglich war, mit diesem Sonderzug hierherzukommen.«
    Frau Zitzelshauser hatte Kaiserschmarrn zubereitet und nicht mit Zucker gespart. Frau Zarski hob die Nase in Richtung Küche und sog den Duft ein, der ihr entgegenströmte. Sie sagte: »Bohnenkaffee? Echter Bohnenkaffee? Ich hatte schon beinahe vergessen, wie der duftet. Den letzten habe ich vor vielen Monaten getrunken. Den hatte der Sohn von Herrn Mausberg aus dem Feld mitgebracht. Ich glaube, er hatte in Frankreich ein halbes Pfund auftreiben können. Herr Mausberg hat mich auf ein Tässchen eingeladen. Ach ja, Herr Mausberg. Kurz nachdem du, Ruth, mit Tante Lene nach Maria Quell gefahren bist, hab ich sein Grab besucht. Stellt euch vor, Kinder, es war mit sieben großen Chrysanthemen geschmückt. Wahrscheinlich hat jemand sie am Allerheiligentag dorthin gestellt. Dabei hat Herr Mausberg doch gar keine Verwandten mehr in Oberhausen.«
    »Hat bestimmt ein Schüler, der mal in seiner Klasse gewesen ist, dahin gestellt«, vermutete Ruth.
    Irmgard lachte. »Oder er hatte außer Mutter noch eine zweite Verehrerin.«
    Die Mädchen sollten den Eltern nach dem Essen den Weg zu ihrem Quartier zeigen. Der Direktor hatte ihnen allerdings eingeschärft, dass sie spätestens um zehn Uhr wieder im Quellenhof zurück sein müssten. Die Verwandten hätten eine beschwerliche Reise hinter sich und am nächsten Tag warte ein volles Programm auf alle. Frau Krase rief die Schülerinnen zusammen, die keinen Besuch bekommen hatten. Sie versuchte, ein paar Spiele mit ihnen zu machen, aber sie vermochte die Enttäuschung der Kinder nicht zu vertreiben. Immerhin hatten die meisten einen Brief ausgehändigt bekommen und einige sogar ein Päckchen. Zwei aber blieben ohne jede Nachricht. Sie waren nicht zu bewegen gewesen, sich mit in die Runde zu setzen, und verschwanden schon früh in ihrem Zimmer. Als Frau Krase später nach ihnen sah, stellten sie sich schlafend.
    Am nächsten Morgen zeigte sich das Wetter von der besten Seite. In der Nacht war ein wenig Pulverschnee gefallen und das Sonnenlicht brach sich tausendfach in den winzigen Kristallen. Der Vorschlag, sich nach einem ausgedehnten Frühstück um halb zehn zu einer Wanderung zu treffen, fand bei den Eltern und den Mädchen lebhafte Zustimmung. Nur Oma Mohrmann wollte sich keinen längeren Weg zumuten. Sie sei mit ihren siebenundsiebzig Jahren nicht mehr so gut zu Fuß wie das junge Volk. Außerdem hatte sie sich vorgenommen, wenigstens zehn Ansichtskarten nach Oberhausen zu schreiben. Ihre Bekannten würden es ihr sonst kaum glauben, dass sie in diesem wunderschönen Alpenland gewesen wäre.
    Anna sagte: »Oma, ich bleibe hier bei dir. Ich will dich sowieso noch etwas Wichtiges fragen.«
    »Aha? Als kleines Mädchen hast du immer schon gern Geschichten von früher gehört. Ich bin gespannt, was du diesmal von mir wissen willst.«
    »Ich melde mich nur noch beim Direktor ab«, sagte Anna.
    Herrn Aumann war es recht, dass ein Mädchen im Hause blieb. »Du kannst dann den Pfortendienst übernehmen.«
    »Aber meine Oma bleibt auch hier. Ich dachte, wir könnten ins Besucherzimmer gehen.«
    »Nimm die alte Dame mit ins Kabuff. Ist doch ganz gemütlich da.«
    Stimmt eigentlich, dachte Anna.
    Wenig später saß Oma Lydia bequem auf dem roten Sofa. Sie strich mit der flachen Hand über den Plüschbezug.
    »So ein schönes Stück hatte ich auch mal, Anna. Kannst du dich erinnern?«
    »Sicher, Oma. Da hab ich doch immer gesessen, wenn du erzählt hast.«
    »Stimmt. Das Sofa gibt’s nicht mehr. Es ist voriges Jahr

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