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So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock

Titel: So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melda Akbas
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dunkelblaue Ecksofa, das im Wohnzimmer stand, gegenüber einer Vitrine, die mir riesig erschien. Oder einfach auf dem Fußboden, auf dem ein dicker Teppich lag. Großmutter saß auch auf dem Sofa, am anderen Ende, das heißt, sie lag mehr. Ich habe sie eigentlich immer nur liegend gesehen. Sie war zuckerkrank und hatte Probleme mit ihrem Kreislauf und dem Herzen. Großvater pflegte sie.
    Die beiden erzählten meistens Geschichten von früher, aus ihrem Dorf in der Türkei. Manchmal diskutierten sie darüber und kriegten sich in die Haare, ohne dass Tayfun oder ich verstanden, worum es ging. Das lag wahrscheinlich daran, dass wir selten zuhörten. Wir saßen nur still da, sahen aus dem Fenster und warteten insgeheim, bis Baba sich räusperte und den erlösenden Satz sagte, der das Zeichen zum Aufbruch war: »Wir sollten jetzt gehen!«
    Es hatte nichts damit zu tun, dass ich die Großeltern nicht liebte, die Besuche bei ihnen machten einfach keinen
Spaß. Ich war immer ganz verkrampft, weil ich nie wusste, wie ich mich verhalten sollte. Mitreden kam nicht in Frage. Wenn sich Erwachsene unterhielten, hatte man nicht dazwischenzuquatschen. Und wenn ich beim Sitzen mal meine Beine übereinanderschlug oder mich im Schneidersitz auf den Boden setzte, sah mich Baba sofort streng an. Für ein türkisches Mädchen gehört es sich nicht, in Anwesenheit Erwachsener die Beine übereinanderzuschlagen. Jedenfalls war das früher so, als die Großeltern jung waren. Zu Hause störte das Baba nie, aber bei seinen Eltern wollte auch er nichts falsch machen.
    Als wir Großmutter das letzte Mal besuchten, lag sie im Krankenhaus. Sie hatte einen Herzinfarkt erlitten, war seit fünf Tagen auf der Intensivstation, sollte an diesem Tag aber auf eine normale Pflegestation verlegt werden, es bestand also Hoffnung. Tayfun war diesmal nicht dabei, ich war mit Baba alleine. Irgendjemand sagte uns, die Ärzte seien gerade bei ihr, wir sollten auf dem Flur warten. Wir warteten zwei Stunden, dann kam endlich ein Arzt.
    Es war, wie man es in Filmen immer sieht: Der Arzt groß im Bild, wie er in seinem weißen Kittel einen Gang entlang direkt auf uns zukommt. Wir schnellen von unseren Stühlen und blicken ängstlich in seine Richtung. Ein Schwenk auf das Gesicht des Arztes, dann auf das meines Vaters. Noch hat keiner einen Ton gesagt, doch der Ausdruck in den Gesichtern, die Blicke verraten alles. Dann waren wir wieder in der Gegenwart. Die Worte, die der Arzt sagte, verhallten in der Weite des Flurs. Eine Aneinanderreihung von medizinischen Fachbegriffen, die alles bedeuten konnten, uns aber nichts sagten. Baba dürfte kaum etwas davon verstanden haben. Entscheidend war auch nur der letzte
Satz, den wir hörten: »Sie können sich jetzt von ihr verabschieden …«
    Baba war mir immer groß und stark vorgekommen, ein Baum von einem Mann, einer, der mich immer beschützen würde. Auf einmal sah ich, wie er in Tränen ausbrach, zu schluchzen begann und zusammensackte. Seine Mutter würde sterben! Ich wollte auch weinen, es kamen aber keine Tränen. Später erschien Babas Schwester, dann ein Bruder von ihm; alle aus der Familie, die in Berlin wohnen, versammelten sich und weinten. Ich weinte nicht. Die Welt verkehrte sich. Ich nahm Baba in den Arm, strich ihm tröstend über den Rücken. Irgendwann ging ich hinaus, um Anne und Tayfun zu benachrichtigen. Sie sollten ins Krankenhaus kommen. Vor dem Eingang schlug mir klare kalte Winterluft entgegen. Der Himmel war blau, die Sonne schien. Ich fand das unpassend.
    Später saßen wir alle in Großmutters Krankenzimmer. Eine gruselige Kulisse. Ich hatte noch nie jemanden sterben sehen. Großmutter lag im Bett, ihr Körper war mit einem dünnen weißen Tuch zugedeckt, das Gesicht eingefallen, blass, sie wirkte leblos. Auf ihrem Mund war so ein Beatmungsding befestigt, das ein Arzt später abnahm. Unter dem Tuch kamen Kabel und Schläuche hervor, die irgendwo an ihrem Körper angeschlossen waren und zu Geräten führten, die am Kopfende neben ihr standen und verschiedene Geräusche von sich gaben. Eines signalisierte ihren Herzschlag, der langsam ging, aber stetig. Noch.
    Anne hatte einen Koran mitgebracht. Bei uns erweist man Sterbenden oder Toten die letzte Ehre, indem man ihnen aus dem Koran vorliest. Doch niemand im Raum fühlte sich imstande zu lesen. Also bekam ich das Heilige
Buch in die Hand gedrückt. Ich legte ein Kopftuch an und begann, die Sure Yasin zu lesen, den Originaltext, auf Arabisch. Keiner

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