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So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock

Titel: So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melda Akbas
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konnten, wurde er gleich mit Sekt gefüllt. Doch Baba verbot ihm, davon zu trinken. Und das, obwohl er hinterher selbst mit den anderen Vätern loszog, um auf die erfolgreichen Söhne anzustoßen.
    Diese Art der Inkonsequenz scheint sich irgendwie durch Babas Leben zu ziehen. Er raucht ja zum Beispiel auch. Das ist Muslimen zwar nicht direkt verboten, gehört sich aber nicht, für einen vorbildlichen Vater noch weniger. Ich mag das Gequalme zwar nicht, kann aber damit leben; es ist schließlich seine Entscheidung, ob er raucht oder nicht. Von mir aus dürfte er auch Alkohol trinken, natürlich nicht zu viel und nicht so oft. Aber das liegt eben daran, dass ich Baba so liebe, wie er ist. Ich erwarte nicht, dass er perfekt ist, jeder Mensch hat seine Macken. Ich finde bloß, er sollte auch dazu stehen und bei Tayfun und mir dieselben Maßstäbe anlegen wie bei sich und nicht immer gleich so tun, als wären wir total missraten, nur weil wir mal unseren eigenen Kopf durchsetzen und Dinge anders machen, als er sich das von seinen Kindern wünscht.
    Ich weiß nicht, ob Tayfun raucht, ehrlich nicht. Manchmal finden Anne oder Baba ein Feuerzeug in seiner Jackentasche, und dann veranstalten sie immer ein Riesentheater. Als würde das Hohe Gericht bei uns zu Hause tagen, und
sie spielen die Richter. Tayfun versucht sich jedes Mal herauszureden, das Feuerzeug gehöre einem Kumpel, oder er habe es nur benutzt, um in einer Gaststätte eine Kerze anzuzünden, und dann aus Versehen eingesteckt, irgend so was in der Art. Und ich stehe daneben und bin sprachlos, was bestimmt nicht oft vorkommt. Aber wie verquer ist das? Tayfun ist dreiundzwanzig. Und Baba verlangt von ihm allen Ernstes etwas, woran er sich selbst nicht hält. Das will mir nicht in den Kopf.
    Bei anderen Dingen ist Baba genauso. Er betet selbst nicht fünfmal am Tag, wünscht sich aber, dass Tayfun und ich es tun. Oder dass wir jeden Tag im Koran lesen, das macht er aber auch nicht. Oder dass wir jedes Wochenende in die Moschee gehen, obwohl er sich dazu doch selbst nur an wichtigen Feiertagen durchringen kann.
    Trotzdem ändern all diese Widersprüche nichts an meiner Sichtweise: Baba und Anne sind klasse Eltern, sie haben uns vieles beigebracht, durch sie haben wir ein Fundament, auch charakterlich. In einer Gesellschaft, in der man ratzfatz aus mindestens einer Million Gründen die Orientierung verlieren kann, haben sie uns auf den richtigen Weg geführt. Das ist verdammt viel, ihr großer Verdienst. Nur, warum können sie uns jetzt nicht einfach vertrauen? Es ist unser Leben, unsere Verantwortung. Außerdem sollten sie mich gut genug kennen, um zu wissen, dass ich nicht mit dem erstbesten Typen abhauen oder so kurz vorm Ende die Schule schmeißen würde und meine Pläne fürs Studieren sausen lasse. Ich wünschte, sie wüssten es. Insgeheim denke ich auch, dass ihnen das klar ist. Sollte es so sein, geben sie sich allerdings echt Mühe, mich das möglichst nicht spüren zu lassen.

    Jetzt habe ich noch gar nichts von Babas Familie erzählt. Das ist auch nicht so einfach. Zwar leben alle in Berlin, bis auf einen Onkel, der auch mal kurz hier war, aber gleich wieder nach Istanbul verschwand. Doch die Stadt ist groß und die Verbindung zur Akbaş-Sippe längst nicht so eng. Als ich noch ein Kind war, trafen wir uns ungefähr alle drei Monate einmal. Mit der Zeit wurden die Begegnungen immer seltener. Heute sehen wir uns meistens nur an Feiertagen und selbst dann nicht jedes Mal, am ehesten noch zum Zuckerfest am Ende des Ramadan. Es ist islamischer Brauch, an diesem Tag nicht nur in die Moschee zu gehen und anschließend auf den Friedhof, um der Verstorbenen zu gedenken, sondern auch die lebenden Verwandten und Bekannten zu besuchen. Der Ausflug zum Friedhof fällt bei uns allerdings weg. Wenn jemand aus der Familie stirbt, beerdigen wir ihn in der Heimat. Wir feiern das Zuckerfest auch nicht so lange wie dort. Normalerweise geht es über drei Tage. In der Türkei bekommen die Kinder für die ganze Zeit schulfrei, falls es nicht gerade auf ein Wochenende fällt. Das Fest findet immer an einem anderen Termin statt. Es verschiebt sich von Jahr zu Jahr wie der Ramadan selbst auch, im Durchschnitt um elf Tage. Das liegt daran, dass sich der Fastenmonat nach dem islamischen Kalender richtet, und der ist mit dem Mondkalender identisch.
    Vielleicht passen unsere Familien einfach nicht zueinander. Sie sind so grundverschieden. In Babas Familie tragen alle Frauen Kopftuch,

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